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Rücktrittsrecht gemäß §§ 437 Nr. 2, 440, 323 bzw. 326 Abs. 5 BGB

Das Rücktrittsrecht ist einer der gegenüber dem Anspruch auf Nacherfüllung subsidiären Rechtsbehelfe des Mangelgewährleistungsrechts. Infolge der mit der Schuldrechtsreform vollzogenen Einbettung des Gewährleistungsrechts ist es bis auf wenige Modifikationen nach den §§ 438 ff. BGB sowohl hinsichtlich der Voraussetzungen als auch hinsichtlich der Rechtsfolgen mit den gesetzlichen Rücktrittsrechten des allgemeinen Schuldrechts identisch. Damit hat das Gewährleistungsrecht gegenüber der alten Rechtslage, die mit der Wandlung nach § 462 BGB a.F. einen eigenständigen auf Rückabwicklung gerichteten gewährleistungsrechtlichen Rechtsbehelf kannte, eine Kehrtwende vollzogen. Alle mit der speziellen Ausgestaltung dieses spezifisch kaufrechtlichen Rechtsbehelfs verbundenen Probleme des alten Rechts, die daraus resultierten, dass dieser Rechtsbehelf nicht wie das Rücktrittsrecht als Gestaltungsrecht, sondern als gegen den Verkäufer gerichteter Anspruch auf Begründung eines Rückabwicklungsschuldverhältnisses ausgestaltet war (Stichwort: Wandelungstheorien), sind dadurch erledigt. Zugleich führt die Tatsache, dass das Rücktrittsrecht ein Gestaltungsrecht ist, dazu, dass die Rechtsfolgen unmittelbar durch die (wirksame) Rücktrittserklärung ausgelöst werden mit der Folge, dass der Käufer vom (wirksam) erklärten Rücktritt nicht mehr einseitig auf den Anspruch auf Nacherfüllung oder auf die Minderung übergehen kann (vgl. Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, Rdnr. 522).

Wie beim Rücktritt wegen Pflichtverletzung nach allgemeinem Schuldrecht muss man auch beim Rücktritt wegen Mangels der Kaufsache zwischen den beiden Rechtsgrundlagen § 323 BGB einerseits und § 326 Abs. 5 BGB andererseits unterscheiden. Dabei erfolgt die Abgrenzung zwischen diesen beiden Vorschriften bezogen auf den Nacherfüllungsanspruch aus § 439 BGB: Ist der Anspruch auf Nacherfüllung nach § 275 Abs. 1 bis 3 BGB erloschen, kann der Käufer unter den Voraussetzungen des § 326 Abs. 5 zurücktreten. Im Übrigen ist bei einem Mangel der Rücktritt gemäß §§ 440, 323 BGB eröffnet. Nachfolgend sollen die Voraussetzungen dieser Rücktrittsrechte kurz dargestellt werden.

Beim Rücktrittsrecht aus §§ 437 Nr. 2, 440, 323 BGB sind folgende Merkmale zu prüfen:

* Rücktrittserklärung (§ 349 BGB):

Der Käufer muss sein Rücktrittsrecht durch Abgabe der Rücktrittserklärung, einer empfangsbedürftigen Willenserklärung, ausgeübt haben und diese muss dem Verkäufer zugegangen sein.

* Fälliger durchsetzbarer Anspruch des Käufers auf Leistung eines mangelfreien Kaufgegenstandes aus Kaufvertrag (§ 433 Abs. 1 BGB):

Zwischen den Parteien muss selbstverständlich ein Kaufvertrag bestehen, aus dem dem Käufer ein fälliger und durchsetzbarer Anspruch auf Leistung eines mangelfreien Kaufgegenstandes gegen den Verkäufer erwächst. Dies ist dann nicht der Fall, wenn der Anspruch nach § 275 Abs. 1 - 3 BGB ausgeschlossen ist, weil die geschuldete Leistung einschließlich Nacherfüllung anfänglich oder nachträglich unmöglich ist oder der Verkäufer mit Recht die Einreden aus § 275 Abs. 2 bzw. 3 BGB erhoben hat. Es ist aber auch ferner nicht der Fall, wenn der Anspruch nach den vertraglichen Abreden noch nicht fällig ist (vgl. § 271 BGB) oder fällig, aber nicht durchsetzbar ist, weil der Verkäufer ein Leistungsverweigerungsrecht ausgeübt hat oder der Käufer - sofern keine Vorleistungspflicht vereinbart worden ist - die eigene Gegenleistung noch nicht angeboten hat, so dass dem Verkäufer die Einrede aus § 320 BGB zusteht (vgl. Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, Rdnr. 191).

* Mangelhaftigkeit des Kaufgegenstandes gemäß § 434 bzw. 435 BGB:

§ 323 Abs. 1 BGB setzt weiter voraus, dass die vom Verkäufer erbrachte Leistung "nicht vertragsgemäß" ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sie einen Sach- oder Rechtsmangel im Sinne des § 434 bzw. § 435 BGB aufweist.

* Fruchtloser Ablauf einer angemessenen Nachfrist zur Nacherfüllung:

Wegen des Vorranges der Nacherfüllung kann der Käufer regelmäßig nicht sofort nach Erhalt einer mangelhaften Leistung vom Vertrag zurücktreten, sondern muss zunächst eine angemessene Frist zur Nacherfüllung setzen. Diese Fristsetzung muss keine Ablehnungsandrohung mit konkreter Inaussichtstellung der mit dem fruchtlosen Ablauf der Frist eintretenden Rechtsfolgen enthalten. Einzig erforderlich ist, dass der Verkäufer der Fristsetzung entnehmen kann, dass der Käufer das Nacherfüllungsbegehren ernst meint. Dem werden etwa Formulierungen wie "höfliche Bitte, die Leistung in den nächsten Wochen zu erbringen" etc. nicht gerecht (vgl. hierzu: Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, Rdnr. 196; Grüneberg, in: Palandt, § 323 Rdnr. 13). Schließlich muss die Aufforderung zur Nacherfüllung entweder die begehrte Leistung in der Weise hinreichend klar bestimmen, dass der Verkäufer über den Inhalt des Begehrens nicht im Zweifel sein kann, oder aber so allgemein gehalten sein, dass der Verkäufer der Aufforderung entnehmen kann, dass der Käufer konkludent auf die Ausübung seines Wahlrechts verzichtet und ihm die Wahl zwischen den verschiedenen Varianten der Nacherfüllung überlässt (Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, 13. Kapitel, Rdnr. 66). Bei der Bestimmung der Angemessenheit der Fristsetzung ist zu berücksichtigen, dass der Verkäufer trotz Fälligkeit nicht vertragsgemäß geleistet hat. Daher ist die Angemessenheit nicht danach auszurichten, wie viel Zeit der Verkäufer unter normalen Umständen zur vollständigen Erbringung der Leistung benötigen würde, sondern danach, wie lange der Verkäufer dafür benötigt, eine bereits begonnene und im wesentlichen bereits abgeschlossene Leistung zu Ende zu bringen. Insbesondere bei sogenannten "Alltagsgeschäften" kann dies, wenn sie nicht ohnehin schon unter § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB fallen, zu sehr kurzen Fristen führen (BT - Drucks. 14/6040, S. 234). Ist die Fristsetzung auch an diesen Maßstäben gemessen unangemessen, so ist sie gleichwohl nicht unwirksam. An ihre Stelle tritt dann lediglich eine vom Gericht für angemessen gehaltene Frist (Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, 13. Kapitel, Rdnr. 198).

Allerdings kann das Erfordernis der Setzung einer angemessenen Frist zur Nacherfüllung auch gemäß § 323 Abs. 2 bzw. § 440 S. 1 BGB entfallen. Gemäß § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist die Fristsetzung zur Nacherfüllung entbehrlich, wenn der Verkäufer die Leistung endgültig und ernsthaft verweigert. An das Vorliegen dieses Merkmales sind allerdings strenge Anforderungen zu stellen. Sie lassen sich auf die griffige Kurzformel bringen, dass die Weigerung des Schuldners als sein letztes Wort aufzufassen sein muss (Grüneberg, in: Palandt, § 323 Rdnr. 18). Nach § 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist die Fristsetzung entbehrlich, wenn im Vertrag ein bestimmter Termin oder eine bestimmte Frist zur Leistungserbringung bestimmt war und der Käufer den Fortbestand seines Leistungsinteresses an die Rechtzeitigkeit der Leistung gebunden hat. Damit wird für den Fall des relativen Fixgeschäftes ein sofortiges Rücktrittsrecht begründet. Das in § 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB geregelte relative Fixgeschäft ist von dem bereits besprochenen absoluten Fixgeschäft zu unterscheiden, bei dem die die Leistungszeit derart in den Inhalt der vertraglich geschuldeten Leistung einbezogen ist, dass die Überschreitung der Leistungszeit bereits zur Unmöglichkeit der Leistung führt, so dass das Rücktrittsrecht aus § 326 Abs. 5 BGB folgt. Die vertragliche Vereinbarung eines solchen relativen Fixgeschäftes kann nur bejaht werden, die Einhaltung der Leistungszeit für den Verkäufer erkennbar für den Käufer so wesentlich ist, dass mit der zeitgerechten Leistung das Geschäft "stehen und fallen soll". Typische Beispiele für einen solchen Willen zum Ausdruck bringende Formulierungen in Vertragstexten sind Formulierungen wie "fix", "genau", "präzise", "prompt" oder "Lieferung zum Verkauf für Weihnachten/Ostern" etc. (vgl. Grüneberg, in: Palandt, § 323 Rdnr. 20).

Ferner ist die Fristsetzung gemäß §  323 Abs. 2 Nr. 3 BGB entbehrlich, wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigen". Durch diesen bewusst weit gefassten Tatbestand werden insbesondere die Fälle erfasst, in denen die Erfüllung des Vertrages infolge des Verzugs des Verkäufers kein Interesse mehr hat. Ein typisches Beispiel hierfür ist, dass der Verkäufer mangelhafte Saisonware liefert und die Nacherfüllung in einen Zeitraum fallen würde, in der der Käufer infolge Ablaufes der Saison kein Interesse mehr an der Ware hätte. Das Abstellen auf die beiderseitigen Parteiinteressen in § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB ist so zu verstehen, dass das Interesse des Käufers an sofortigem Rücktritt jedenfalls in den Fällen, in denen sein Interesse an Erfüllung vollkommen wegfallen ist, das Interesse des Verkäufers an dem Festhalten am Vertrag überwiegt (Huber/Faust, 13. Kapitel, Rdnr. 31).

Ferner hält der Gesetzgeber so genannte "Alltagsgeschäfte", bei denen der Käufer meist ein Interesse an sofortiger Nutzung der Sache hat, für einen typischen Anwendungsbereich des § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB (Vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 234).

Gemäß § 440 S. 1 1. Alt. BGB ist die Nachfristsetzung speziell im Kaufrecht dann entbehrlich, wenn der Verkäufer beide Arten der Nacherfüllung gemäß § 439 Abs. 3 BGB verweigert. Dem ist im Wege des Analogieschlusses der Fall gleichzusetzen, dass die eine Art der Nacherfüllung gemäß § 275 Abs. 1 - 3 BGB ausgeschlossen ist und der Verkäufer die andere Art der Nacherfüllung gemäß § 439 Abs. 3 BGB verweigert (Weidenkaff, in: Palandt, § 440 Rdnr. 5). Ferner ist die Fristsetzung gemäß § 440 S. 1 2. Alt. BGB entbehrlich, wenn die dem Käufer zustehende Art der Nacherfüllung fehlgeschlagen ist. Ein solches Fehlschlagen kommt in Betracht bei Unzulänglichkeit, unberechtigter Verweigerung, ungebührlicher Verzögerung und misslungener Versuche der Nachbesserung bzw. Ersatzlieferung (Vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 233). Gerade für letzteren Fall enthält § 440 S. 2 BGB eine gesetzliche Vermutung: Danach gilt die Nachbesserung nach dem zweiten Versuch als fehlgeschlagen, wenn sich nicht aus der Art der Sache oder des Mangels oder aus den sonstigen Umständen etwas anderes ergibt. Schließlich ist die Fristsetzung gemäß § 440 S. 1 3. Alt. BGB entbehrlich, wenn die dem Käufer zustehende Ersatzlieferung ihm unzumutbar ist. Dies kann nur auf Grund einer Abwägung aller Umstände des Einzelfalles bejaht werden. Danach kann sich die Unzumutbarkeit etwa daraus ergeben, dass die allein in Frage kommende Nachbesserung zu einer übermäßigen Lärm- oder Schmutzbelästigung des Käufers führt oder aber mit erheblichem Zeitaufwand verbunden wäre, der dem Käufer nicht durch einen entsprechenden Verzögerungsschaden ausgeglichen wird (vgl. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, 13. Kapitel, Rdnr. 71).

* Kein Ausschluss des Rücktrittsrechts gemäß § 323 Abs. 5 S. 2 bzw. Abs. 6 BGB (Beweislast: Verkäufer !):

Nach § 323 Abs. 5 S. 2 BGB ist der Rücktritt ausgeschlossen, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist. Dieses Merkmal ist eng auszulegen und soll nur Bagatellfälle erfassen, bei denen die Ausübung des Rücktrittsrechts rechtsmissbräuchlich erschiene (Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, 13. Kapitel, Rdnr. 75). Ferner ist der Rücktritt gemäß § 323 Abs. 6 BGB ausgeschlossen, wenn der Käufer für den Mangel allein oder weit überwiegend verantwortlich ist, oder wenn der vom Schuldner nicht zu vertretende Mangel zu einer Zeit eintritt, zu welcher der Käufer sich im Annahmeverzug befindet. Damit § 323 Abs. 6 1. Alt. BGB im Hinblick auf das Verschulden des Käufers eingreifen kann, muss dieses so sehr überwiegen, dass die "Anspruchskürzung" gemäß § 254 BGB im Falle eines Schadensersatzverlangens des Käufers den Schadenersatzanspruch ganz ausschließen würde (BT-Drucks. 14/6040, S. 187). Dafür ist eine Mitverschuldensquote des Käufers von mindestens 90% erforderlich (vgl. Grüneberg, in: Palandt, § 323 Rdnr. 29, der unter Umständen sogar eine Mitverschuldensquote von 80% ausreichen lassen möchte).

Bei dem Rücktrittsrecht gemäß §§ 437 Nr. 2, 326 Abs. 5 BGB ist die Prüfung wie folgt modifiziert:

*  Rücktrittserklärung des Käufers (§ 349 BGB)

* Kaufvertrag, den der Verkäufer nicht erfüllt, weil er eine gemäß §§ 434 bzw. 435 BGB mangelhafte Sache geliefert hat und bei dem der Anspruch des Käufers auf Nacherfüllung gemäß § 275 Abs. 1 - 3 BGB ausgeschlossen ist

* Kein Ausschluss des Rücktrittsrechts gemäß § 323 Abs. 5 S. 2 BGB bzw. § 323 Abs. 6 BGB

Eine Darstellung der Rechtsfolgen des erklärten Rücktritts ist an dieser Stelle entbehrlich, da wir diese bereits an anderer Stelle ausführlich behandelt haben. 

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© Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Rüßmann. 
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Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Rüßmann.
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