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Der Anspruch auf Nacherfüllung (§§ 437 Nr. 1, 439 BGB)Im alten Recht konnte der Käufer sich bei Vorliegen eines Sachmangels sofort mittels der Wandelung vom Vertrag lösen. Die Wandelung war damit der eigentlich prägende Rechtsbehelf des auf rasche Abwicklung (vgl. die kurze Verjährung von 6 Monaten im alten Recht) und Rückabwicklung ausgerichteten Sachmängelgewährleistungsrechts des früheren Rechts. Diese Konzeption war für den Käufer, der zwischenzeitlich den Abschluss des Kaufvertrages bereute, von unschätzbarem Vorteil, da sie es ihm ermöglichte, sich sozusagen aus "Anlass" eines Sachmangels von dem Vertrag zu lösen (vgl. dazu den insgesamt lesenswerten Aufsatz von Lorenz, JZ 2001, 742, 743). Demgegenüber war diese Konzeption für denjenigen Käufer einer Sache nachteilig, der gegen Nachbesserung an dem Kaufvertrag festhalten wollte. Denn einen Anspruch auf Nachbesserung - im Sinne von Beseitigung des Mangels - kannte das ehemalige kaufrechtliche Gewährleistungsrecht im Gegensatz zum Werkvertragsrecht nicht. Einen solchen Anspruch konnte der Käufer daher lediglich dann haben, wenn er ihn vertraglich vereinbart hatte. Mit dem neuen Gewährleistungsrecht hat der Gesetzgeber vor dem Hintergrund der soeben aufgezeigten Konzeption des alten Rechts einen Paradigmenwechsel vollzogen. Im Falle des Vorliegens eines Mangels steht nunmehr nicht mehr das rasche Loslösen vom Vertrag, sondern das Festhalten an demselben unter Herbeiführung eines vertragsgerechten Zustandes im Vordergrund. Dreh- und Angelpunkt dieser Neuausrichtung des Gewährleistungsrechts ist der Anspruch auf Nacherfüllung gemäß §§ 437 Nr. 2, 439 BGB, der die Wandlung als zentralen Rechtsbehelf des Gewährleistungsrechts abgelöst hat. Rechtstechnisch hat der Gesetzgeber dies dadurch bewerkstelligt, dass er sämtliche anderen gewährleistungsrechtlichen Rechtsbehelfe des Käufers (Rücktritt, Minderung, Schadensersatz statt der Leistung) grundsätzlich davon abhängig gemacht hat, dass eine vom Käufer gesetzte Frist zur Nacherfüllung fruchtlos abgelaufen ist (vgl. §§ 281 Abs. 1, 323 Abs. 1, 441 Abs. 1 ("statt zurückzutreten", was soviel heißt wie "unter den Voraussetzungen des § 323 Abs. 1") BGB). In dieser Regelungstechnik kommt der das neue Gewährleistungsrecht prägende Grundsatz des "Vorrangs der Nacherfüllung", wonach die Rechtsbehelfe Rücktritt, Minderung und Schadensersatz statt der Leistung gegenüber dem primären Rechtsbehelf der Nacherfüllung sekundäre Rechtsbehelfe darstellen, klar zum Ausdruck (vgl. Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, Rdnr. 504). Man kann diese Neukonzeption des Mängelgewährleistungsrechts auch mit dem Begriff des "zweistufigen Rechtsbehelfssystems" umschreiben (Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kapitel 13, Rdnr. 9). Der Rechtsfolge nach geht der Anspruch auf Nacherfüllung gemäß § 439 Abs. 1 BGB nach Wahl des Käufers entweder auf Beseitigung des Mangels oder auf Lieferung einer mangelfreien Sache. Ein echtes Wahlrecht in diesem Sinne hat der Käufer aber nur im Fall des Gattungskaufs. Beim Stückkauf ist nämlich infolge der von Anfang an vereinbarten Beschränkung der Leistungspflicht auf einen bestimmten Kaufgegenstand die Lieferung einer mangelfreien Sache objektiv unmöglich (Ausnahme: Lieferung eines Identitätsaliuds !), so dass der Verkäufer insoweit gemäß § 275 Abs. 1 BGB von seiner Nacherfüllungspflicht frei ist und von vorneherein nur Beseitigung des Mangels schuldet (vgl. Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, Rdnr. 505; Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kaptitel 13, Rdnr. 20; a.A. z.B. Schubel, in: JuS 2002, 313, 316 m.w.N, für den Fall des "Stückkaufs über vertretbare Sachen", der allerdings - wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen - den Begriff des Stückkaufs zu weit fasst; a.A. jetzt auch der Bundesgerichtshof BGH, Urteil vom 07.06.2006, VIII ZR 209/05). Dabei ist natürlich im Einzelfall durch Auslegung der Willenserklärungen der Parteien sorgfältig zu ermitteln, ob wirklich ein Stückkauf oder ein Gattungskauf vorliegt. Beim Kauf von Massenware hängt dies davon ab, ob eine der Parteien für die andere erkennbar Wert darauf legt, dass sich der Vertrag ausschließlich auf einen individualisierten Gegenstand als solchen bezieht. Um ein Beispiel von Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, Rdnr. 506 aufzugreifen, ist das etwa dann zu bejahen, wenn der Verkäufer einen solchen Artikel wegen Geschäftsaufgabe oder Abstoß eines schwer verkäuflichen Restpostens verkauft. Dann kann man nämlich anders als beim üblichen Verkauf einer vertretbaren Sache im Kaufhaus nicht annehmen, der Verkäufer könne und wolle jederzeit einen anderen Gegenstand aus der Gattung nachliefern. Hat aber im Falle des Kaufs eines Massenartikels im Kaufhaus keine der beiden Parteien ein solches besonderes Interesse an der Beschränkung der Leistungspflicht auf einen bestimmten Gegenstand, so liegt kein "Stückkauf über eine vertretbare Sache" vor, sondern ein Gattungskauf, bei dem der Nacherfüllungsanspruch des Käufers gemäß § 439 Abs. 1 BGB nach dessen Wahl auf Nachbesserung oder Nachlieferung gerichtet ist. Neben der Unterscheidung zwischen Gattungskauf und Stückkauf ist für den Inhalt des Nacherfüllungsanspruchs auch die Art des jeweiligen Mangels von erheblicher Bedeutung. Beim Montagemangel nach § 434 Abs. 2 Satz 1 BGB kommt beim Stückkauf - aus den oben genannten Gründen - nur Nachbesserung in Betracht, während beim Gattungskauf, vorbehaltlich des Eingreifens von § 439 Abs. 3 BGB, nach Wahl des Käufers Nachbesserung oder Ersatzlieferung nebst deren Montage in Betracht kommt, weil das Gesetz den Montagemangel einem echten Sachmangel gleichstellt. Besonders problematisch ist der Inhalt des Nacherfüllungsanspruchs im Fall des Montageanleitungsmangels nach § 434 Abs. 2 S. 2 BGB. Hier scheidet als möglicher Anspruchsinhalt die Ersatzlieferung nebst Montage durch den Verkäufer aus, da der Anspruch auf Nacherfüllung dogmatisch betrachtet nur ein modifizierter Erfüllungsanspruch ist und im Fall des § 434 Abs. 2 S. 2 BGB der Verkäufer die Montage gerade nicht als Erfüllung schuldet. In Betracht kommt hier also entweder nur die Lieferung einer fehlerfreien Montageanleitung (Nachbesserung) oder im Falle eines Gattungskaufs die Lieferung einer neuen Kaufsache nebst fehlerfreier Montageanleitung (Ersatzlieferung) (vgl. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kapitel 13, Rdnr. 21). Beim Aliudmangel nach § 434 Abs. 3 1. Alt. BGB kommt als Nacherfüllung beim Stückkauf nur Ersatzlieferung in Form der vertraglich geschuldeten Sache in Betracht. Auch beim Gattungskauf wird regelmäßig nur Ersatzlieferung in Form der Lieferung von Sachen mittlerer Art und Güte aus der geschuldeten Gattung in Betracht kommen und Nachbesserung als unmöglich gemäß § 275 Abs. 1 BGB ausscheiden: Wie sollte eine Nachbesserung auch aussehen, wenn statt der vertraglich vereinbarten 20 kg Tomaten die gleiche Menge Äpfel geliefert wird ? Dennoch sind beim Gattungskauf Fälle denkbar, in denen die gelieferte Sache durch Nachbesserung vom aliud zur vertraglich geschuldeten Leistung wird. Die Gesetzesmaterialien nennen als Beispiel hierfür den Fall, dass eine gelieferte Maschine durch Einbau eines Aggregates zu einer Sache umgerüstet werden kann, die einer anderen Gattung angehört (BT - Drucks. 14/6040, S. 216). Bei der Mankolieferung nach § 434 Abs. 3 2. Alt. BGB schließlich kommt Nachbesserung durch Lieferung der fehlenden Menge und Ersatzlieferung durch Neulieferung der geschuldeten Menge in Betracht (Vgl. BT - Drucks. 14/6040, S. 216 und Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, Rdnr. 509). Der Anspruch auf Nacherfüllung in Form von Nachbesserung oder Ersatzlieferung kann wie gezeigt nach § 275 Abs. 1 auf Grund von Unmöglichkeit ausgeschlossen sein. Ebenso kann der Verkäufer den Anspruch bei Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen auch durch Erhebung der Einrede aus § 275 Abs. 2 oder 3 zum Erlöschen bringen. Schließlich hat der Verkäufer ein Leistungsverweigerungsrecht gegenüber der gewählten Art der Nacherfüllung aus § 439 Abs. 3 BGB, wenn sie mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden ist. Bei der insoweit anzustellenden Verhältnismäßigkeitsprüfung sind neben anderen Abwägungsgesichtspunkten kraft § 439 Abs. 3 S. 2 BGB insbesondere der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand, die Bedeutung des Mangels und die Frage zu berücksichtigen, ob auf die andere Art der Nacherfüllung ohne erhebliche Nachteile für den Käufer zurückgegriffen werden könnte. Bei diesen Kriterien wird für die praktische Fallbearbeitung das Zusammenspiel des Werts der Sache zum Interesse des Käufers gerade an der konkret gewählten Art der Nacherfüllung eine große Rolle spielen. So wird man bei geringwertigen vertretbaren Konsumgütern die Nachbesserung regelmäßig als unverhältnismäßig qualifizieren können (Beispiel nach BT-Drucks. 14/6040, S. 232: Schraube mit Gewindefehler; weiteres Beispiel: die als Mineralwasser mit Kohlensäure gekaufte Wasserflasche enthält nur stilles Wasser). Umgekehrt wird bei hochwertigen Gütern mit leicht behebbaren Mängeln die Ersatzlieferung in der Regel unverhältnismäßig sein (Beispiel nach BT-Drucks. 14/6040, S. 232: Mangel einer Waschmaschine kann durch bloßes Austauschen einer Schraube behoben werden). Darüber hinaus ist jedoch bereits jetzt umstritten, welche Rolle es für die Unverhältnismäßigkeit spielt, ob der Verkäufer eigene Reparaturmöglichkeiten hat bzw. zu welchen Bedingungen er sie sich beschaffen könnte. Dabei dürfte unstrittig sein, dass man die geringsten Anforderungen insoweit an den privaten, nicht gewerblichen Verkäufer stellen kann (vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 232). Aber auch bei ihm ist die Nachbesserung nicht per se unverhältnismäßig. Vielmehr kommt es für die Verhältnismäßigkeitsprüfung bei ihm darauf an, zu welchem Preis er die Nachbesserung am Markt "einkaufen" kann. Besonders umstritten ist demgegenüber die Situation des "Händlers ohne Reparaturwerkstatt". Bei diesem per se ebenfalls niedrigere Maßstäbe anzulegen (in diese Richtung: BT-Drucks. 14/6040, S. 232), scheint verfehlt, da er sich auf die Verkäuferpflichten aus §§ 433 Abs. 1 S. 2, 437 Nr. 2, 439 Abs. 1 BGB einstellen kann und muss. Das bedeutet konkret, dass er für den Fall des Nacherfüllungsbegehrens Vorsorge treffen kann, indem er etwa bei langfristigen Lieferverträgen mit großen Unternehmen vertragliche Vereinbarungen mit denselben über einen Nachbesserungsservice seitens des Unternehmens trifft oder einen günstigen Dauervertrag mit auf die Reparatur der Kaufsache spezialisierten Werkunternehmern abschließt, auf den er ihm Nacherfüllungsfall zurückgreifen kann. Tut er dies nicht, so kann er sich bei Inanspruchnahme auf Nachbesserung aus § 439 Abs. 1 BGB im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 439 Abs. 3 BGB nicht auf den marktüblichen Reparaturpreis berufen, sondern muss sich den bei entsprechender Vorsorge erzielbaren günstigeren Werklohn entgegenhalten lassen (vgl. Schubel, in: JuS 2002, 313, 316; Bitter/Meidt, in: ZIP 2001, 2114, 2122). Der Vorrang der Nacherfüllung entfällt, wenn beide Arten der Nacherfüllung unmöglich sind, vom Verkäufer gemäß § 439 Abs. 3 BGB verweigert werden oder wenn die dem Käufer zustehende Art der Nacherfüllung fehlgeschlagen oder ihm unzumutbar ist (§ 440 BGB). Dabei gilt eine Nachbesserung nach der gesetzlichen Vermutung des § 440 S. 2 BGB nach dem erfolglosen zweiten Versuch der Nacherfüllung als fehlgeschlagen, wenn sich nicht insbesondere aus der Art der Sache oder des Mangels oder den sonstigen Umständen etwas anderes ergibt. Bei der Prüfung des Merkmales der "Unzumutbarkeit" soll nach dem Willen des Gesetzgebers insbesondere auf die Art der Sache und den vom Käufer mit ihr verfolgten Zweck abgestellt werden (BT-Drucks. 14/6040, S. 233 f.). Hierbei wird insbesondere auch die Frage eine Rolle spielen, ob es dem Käufer nach dem von ihm mit der Kaufsache verfolgten Zweck auf eine rasche Verfügbarkeit der Kaufsache ankam und wie viel Zeit die ihm zustehende Art der Nacherfüllung voraussichtlich in Anspruch nehmen wird (vgl. Weidenkaff, in: Palandt, § 440 Rdnr. 8). Wenn der Verkäufer zum Zwecke der Nacherfüllung eine mangelfreie Sache liefert, so stellt sich die Frage, was mit der mangelhaften Sache werden soll. Die Antwort gibt § 439 Abs. 4 BGB. Der Verkäufer kann vom Käufer Rückgewähr der mangelhaften Sache nach Maßgabe der §§ 346 BGB bis § 348 BGB verlangen. Damit schuldet der Käufer auch Nutzungsersatz für die Zeit der Nutzung der mangelhaften Sache. Es ist umstritten, ob diese Regelung für den Verbrauchsgüterkauf mit der europäischen Richtlinie zum Verbrauchsgüterkauf vereinbar ist, die dem Käufer die Geltendmachung der Mängelrechte ohne Kosten einräumt. Der Bundesgerichtshof hat die Frage dem Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung vorgelegt (BGH, Beschluss vom 16. August 2006, VIII ZR 200/05, NJW 2006, 3200). Siehe dazu die Dokumentation bei Lorenz in München. |
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