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Rechtsgeschäftliche Vertragsbeendigung

Bisher wurde gezeigt, dass ein Schuldverhältnis durch gesetzliche Beendigungsgründe wie die Erfüllung, Erfüllungssurrogate oder nachträgliche Unmöglichkeit beendigt werden kann. Daneben ist auch möglich, das Schuldverhältnis (im engeren, nur auf die Leistungspflicht bezogenen, wie im weiteren Sinne) rechtsgeschäftlich zu beenden. Dies kann sowohl im Konsens der Parteien als auch durch Ausübung einseitiger Gestaltungsrechte, insbesondere Rücktritt und Kündigung, geschehen.

1. Die einverständliche Vertragsbeendigung

a) Der Erlass und das negative Anerkenntnis (§ 397 BGB)

Der Erlass ist ein Verzicht auf die Forderung. § 397 Abs. 1 BGB betrifft trotz seines missverständlichen Wortlauts nur das Schuldverhältnis im engeren Sinne (also die einzelne Forderung) und unterscheidet sich dadurch vom Aufhebungsvertrag (contrarius contractus), der das Schuldverhältnis im weiteren Sinne erlöschen lässt.

Der Erlass ist ein Vertrag zwischen Gläubiger und Schuldner mit der Rechtsfolge, dass die Forderung erlischt. Auffallend ist, dass das Gesetz zum wirksamen Verzicht auf die Forderung einen Vertrag verlangt, genügt doch sonst im Allgemeinen zum Verzicht auf ein Recht ein einseitiges Rechtsgeschäft, z.B. § 875 BGB. Grund ist die Achtung vor der Persönlichkeit des Schuldners, auf dessen Willen Rücksicht genommen werden soll, kann ihm doch ein Erlass unangenehm sein. Im Übrigen fügt sich diese Regelung in den Grundsatz, dass niemand sich etwas schenken lassen muss, und der Erlass einer Schuld kommt einer Schenkung gleich. Das Vermögen des Schuldners wird beide Male vermehrt. Eine einseitige Verzichtserklärung des Gläubigers ist wegen des eindeutigen Wortlauts des § 397 Abs. 1 BGB nicht ausreichend und kann allenfalls als Offerte gedeutet werden, die vom Schuldner angenommen werden muss. Man wird jedenfalls im Schweigen des Schuldners in der Regel die Annahme des Antrags finden dürfen; die Annahmeerklärung wird grundsätzlich gemäß § 151 BGB nicht empfangsbedürftig sein.

Ob ein Verzicht auf künftige Forderungen möglich ist, ist umstritten, wird aber von BGHZ 40, 326 (330) bejaht, wofür immerhin spricht, dass auch die Abtretung künftiger Forderungen heute allgemein anerkannt ist. Allerdings bestehen rechtspolitische Bedenken, insbesondere wenn es sich um Versorgungsansprüche handelt. Dem trägt das Gesetz Rechnung, wenn es den Verzicht auf den gesetzlichen Unterhalt für die Zukunft für unwirksam erklärt (§§ 1614; 1360a Abs. 3 BGB). Darüber hinausgehend wird gefordert, in Analogie zu § 400 BGB dem Erlass künftiger Forderungen dann die Wirksamkeit zu versagen, wenn sie unpfändbar sind.

Die gleiche Wirkung wie durch einen Erlassvertrag kann durch ein sog. negatives Anerkenntnis erzielt werden, d.h. durch einen Vertrag, mit dem der Gläubiger anerkennt, dass die Schuld nicht besteht, § 397 Abs. 2 BGB. Im Gegensatz zum positiven Anerkenntnis, das eine Verpflichtung selbständig begründet (§ 781 BGB), ist das negative Anerkenntnis formlos wirksam.

Der Erlass und das negative Anerkenntnis stellen auf Seiten des Gläubigers eine Verfügung über seine Forderung dar. Beide sind wie alle Verfügungsgeschäfte abstrakt, d.h. die Gültigkeit des Erlassvertrags ist unabhängig davon, ob ihr Rechtsgrund (Kausalgeschäft), der außerhalb des Erlassvertrags bleibt, wirksam ist. Rechtsgrund wird häufig eine Schenkung sein, die gleichzeitig durch den Erlass vollzogen nicht der Form des § 518 BGB bedarf; möglicher Rechtsgrund kann auch ein Vergleich sein, § 779 BGB. Fehlt ein wirksames Grundverhältnis, bleibt der Erlass wegen des Abstraktionsprinzips zunächst wirksam, kann aber als rechtsgrundlose Leistung gemäß § 812 Abs. 1 BGB herausverlangt werden. Dabei erfolgt die Herausgabe durch Neubegründung. § 812 Abs. 2 BGB stellt klar, dass auch das negative Anerkenntnis eine Leistung darstellt, die kondiziert werden kann. Häufig wird der Erlass Bestandteil einer umfassenderen, das Schuldverhältnis im Ganzen betreffenden Regelung sein, etwa eines Vergleichs oder eines Abänderungsvertrags. Die herrschende Meinung hält den Erlass auch in diesen Fällen für abstrakt; er bleibt wirksam, auch wenn die Regelung im Übrigen unwirksam ist (a.A. für einen kausalen Erlass in diesen Fällen: Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Band I, Allgemeiner Teil, 14. Auflage, § 19 I a, S. 269: Der Erlass sei dann in seiner Wirksamkeit ohne weiteres von der Wirksamkeit der umfassenderen Regelung abhängig, deren Teil er ja bildete; eine Rückforderung über § 812 BGB sei dann nicht notwendig).

Vom Erlassvertrag zu unterscheiden ist das Versprechen des Gläubigers gegenüber dem Schuldner, die Forderung nicht geltend zu machen (pactum de non petendo). Der Schuldner wird nicht befreit, sondern erhält lediglich die Möglichkeit, der Geltendmachung der Forderung im Wege der Einrede zu widersprechen. Die Schuld bleibt erfüllbar, die Forderung ist aber nicht mehr durchsetzbar.

b) Der Aufhebungsvertrag

Die Parteien können das gesamte Schuldverhältnis, obwohl das Gesetz dies nicht ausdrücklich ausspricht, durch vertragliche Abrede aufheben (contrarius consensus). Dies folgt aus dem Grundsatz der Vertragsfreiheit, § 311 BGB. Der Aufhebungsvertrag unterscheidet sich vom Erlassvertrag dadurch, dass er nicht die einzelne Forderung, sondern das gesamte Schuldverhältnis als Organismus betrifft. Dabei haben die Vertragsparteien die Möglichkeit, Wirkungen nur für die Zukunft zu schaffen oder aber der Aufhebung auch Rückwirkungen zu geben und sich gegenseitig so zu stellen, als wäre der abgeschlossene Vertrag niemals abgeschlossen worden. Es kommt jeweils auf den durch Auslegung zu ermittelnden Vertragsinhalt an, ob die Aufhebung ex tunc oder ex nunc wirken soll, § 157 BGB. Handelt es sich um ein Dauerschuldverhältnis, mit dessen Ausführung bereits begonnen wurde, wird in der Regel nur eine Beendigung für die Zukunft gewollt sein. Die bereits entstandenen Rechte und Pflichten bleiben unberührt, es sollen nur keine neuen Leistungspflichten mehr entstehen. Dagegen wird die Aufhebung eines auf einmalige Leistung gerichteten Vertrags oder eines Dauerschuldverhältnisses, mit dessen Ausführung noch nicht begonnen wurde, den Sinn haben, dass die Parteien den Vertrag als nicht geschlossen angesehen wissen wollen, d.h. allen (auch den bereits entstandenen) Rechten und Pflichten aus diesem Vertrag soll die Grundlage entzogen sein (BGH, NJW 1978, 2198). Sind bei einer Aufhebung ex tunc Leistungen zurückzugewähren, so sind im Zweifel die Rücktrittsvorschriften der §§ 346 ff. BGB und nicht die §§ 812 ff. BGB anzuwenden, soweit sich aus der Vereinbarung nicht etwas anderes ergibt.

Ist die Aufhebung eines Schuldverhältnisses verbunden mit der Begründung eines neuen Schuldverhältnisses, das an seine Stelle treten soll, so spricht man von Novation (Schuldersetzung). Das alte Schuldverhältnis erlischt und wird durch ein Neues ersetzt. Sicherheiten, die für Forderungen aus dem alten Schuldverhältnis bestellt wurden, erlöschen, dagegen bleiben diese bei Schuldänderungsverträgen bestehen. Wegen der weit reichenden Folgen ist im Zweifel anzunehmen, dass keine Novation, sondern lediglich ein Änderungsvertrag gewollt ist.

2. Der Rücktritt (§§ 346 ff. BGB)

Die einseitige Aufhebung eines Schuldverhältnisses, zumeist aber nur seine Umwandlung in ein Rückgewährschuldverhältnis für den Fall, dass bereits Leistungen ausgetauscht wurden, bezeichnet das Gesetz als Rücktritt, §§ 346 ff. BGB. Der Rücktritt setzt ebenso wie die Kündigung ein entsprechendes Recht - ein sog. Gestaltungsrecht - voraus und erfolgt durch einseitige Erklärung gegenüber dem anderen Teil, § 349 BGB.

a) Rücktrittsgründe

Das Rücktrittsrecht kann auf dem Vertrag selbst beruhen und gründet dann in dem unmittelbaren Willen der Vertragsparteien. Es kann aber auch auf gesetzlicher Anordnung beruhen; solche gesetzlichen Rücktrittsrechte finden sich vor allem im Zusammenhang mit Leistungsstörungen, z.B. §§ 323 Abs. 1, 324, 326 Abs. 5, 437 Nr. 2, 634 Nr. 3 BGB. In das Rücktrittsrecht führen auch der Widerruf und die Rückgabe der Sache bei bestimmten Verbrauchergeschäften (§ 357 Abs. 1 BGB).

Ein vertraglicher Rücktrittsvorbehalt kann auch in allgemeinen Geschäftsbedingungen erfolgen. Dabei ist § 308 Nr. 3 BGB zu beachten, wonach die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, sich ohne sachlich gerechtfertigten und im Vertrag angegebenen Grund von seiner Leistungspflicht zu lösen, unwirksam ist. Ergänzend verlangt BGHZ 99, 182: Ein in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltener Rücktrittsvorbehalt kann nicht wirksam auf Gründe erstreckt werden, deren Vorliegen der Klauselverwender bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt schon vor Vertragsschluss hätte erkennen können. Auch im kaufmännischen Verkehr setzt § 307 BGB dem freien Belieben des Klauselverwenders Grenzen.  

Der Rücktritt bedarf einer ihn aussprechenden einseitigen, empfangsbedürftigen Willenserklärung, § 349 BGB. Da es sich um ein Gestaltungsrecht handelt, ist die Erklärung bedingungsfeindlich.

b) Rücktrittsfolgen

Der wirksame Rücktritt hat folgende Wirkungen (siehe dazu Georg Annus, Die Folgen des Rücktritts (§§ 346 ff BGB), JA 2006, 184): Durch den Rücktritt wird der Vertrag in ein Abwicklungsverhältnis umgestaltet. Er hebt die im Vertrag begründeten primären Leistungspflichten auf, soweit sie noch nicht erfüllt oder auf andere Weise erloschen sind (Befreiungswirkung). Zudem begründet er eine Pflicht zur Rückgewähr der empfangenen Leistungen und der gezogenen Nutzungen (§ 346 Abs. 1 BGB), und zwar für beide Teile, das sog. Rückgewährschuldverhältnis. Der Rücktritt wirkt nur schuldrechtlich, nicht dinglich. Übertragenes Eigentum fällt danach nicht automatisch zurück, sondern das Gesetz gewährt einen schuldrechtlichen Anspruch auf Rückübertragung.

Die früher herrschende Meinung, die im Rücktritt einen Erlöschenstatbestand für das Schuldverhältnis als ein Ganzes und im Abwicklungsverhältnis ein modifiziertes Bereicherungsverhältnis sah, ist überholt. Durch den Rücktritt erlöschen zwar die beiderseitigen primären Erfüllungsansprüche. Der Rücktritt hebt den Vertrag aber nicht als Ganzes auf, sondern verändert seinen Inhalt. Das durch ihn entstandene Abwicklungsverhältnis ist kein gesetzliches Schuldverhältnis, sondern das durch einseitige Gestaltungserklärung umgestaltete ursprüngliche Vertragsverhältnis. Es bleiben daher auch Schadensersatzansprüche erhalten, wie § 325 BGB seit dem 1.1.2002 verdeutlicht: Das Recht, bei einem gegenseitigen Vertrag Schadensersatz zu verlangen, wird durch den Rücktritt nicht ausgeschlossen. Für den Verzögerungsschaden galt das nach Auffassung des Bundesgerichtshofs auch schon im früheren Recht (BGHZ 88, 46).

Rückgewähr in Natur

An der Spitze der Rechtsfolgen des Rückgewährschuldverhältnisses steht die Rückgewähr der empfangenen Leistungen und der gezogenen Nutzungen in Natur. Ist wie bei geleisteten Diensten oder der Benutzung einer mietweise überlassenen Sache eine Rückgewähr in Natur von Natur aus nicht möglich, dann ist der Wert zu ersetzen (§ 346 Abs. 2 Nr. 1 BGB).

Wertersatz

Wertersatz wird auch geschuldet, wenn der empfangene Gegenstand verbraucht, veräußert, belastet, verarbeitet oder umgestaltet worden ist (Nr. 2) und wenn der empfangene Gegenstand sich verschlechtert hat oder untergegangen ist (Nr. 3). Die in § 346 Abs. 2 Nrn. 2 und 3 genannten Gründe sind systematisch anders gelagert als der in Nr. 1 genannte Grund. Bei Nr. 1 ist das Empfangene von Anfang an kein Gegenstand oder Recht, der oder das einer Rückgewähr fähig wäre. Bei den Nrn. 2 und 3 gab es ursprünglich einen solchen Gegenstand, der indessen verändert wurde, untergegangen ist oder sich verschlechtert hat. Die durch bestimmungsgemäßen Gebrauch entstandene Verschlechterung ist kein Fall des Wertersatzes nach Abs. 2. Vielmehr wird diese Verschlechterung durch den Nutzungsersatzanspruch in Abs. 1 erfasst. Auch der durch die bloße Ingebrauchnahme entstandene Wertverlust bleibt kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung in § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB außer Betracht. Der Käufer eines Autos hat mithin nicht dafür einzustehen, dass das Auto allein durch die Anmeldung und ohne jede Abnutzung einen (erheblichen!) Wertverlust erleidet.

Die Regelung zur Verschlechterung und zum Untergang verändert die dem früheren Recht bis zum 1. Januar 2002 zugrunde liegende Gefahrtragung. Im früheren Recht war der Rücktritt bei einem unverschuldeten Untergang der Sache nicht ausgeschlossen. Der Rücktrittsgegner musste die erhaltene Leistung (in der Regel den Kaufpreis) zurückzahlen und hatte seinerseits nichts in der Hand, weil es einen Wertersatzanspruch nicht und einen Schadensersatzanspruch gegen den Rücktretenden wegen des Untergangs der Sache nur gab, wenn dieser den Untergang verschuldet hatte. Damit trug der Rücktrittsgegner die Gefahr des zufälligen Untergangs der Sache beim Rücktretenden. Mit dem Anspruch auf Wertersatz gegen den Rücktretenden ändert sich das. Denn dieser Anspruch besteht unabhängig davon, ob der Wert noch im Vermögen des Rücktretenden vorhanden ist.

Eine im Vertrag bestimmte Gegenleistung ist der Berechnung des Wertersatzes zugrunde zu legen (§ 346 Abs. 3 BGB). Damit wird angeordnet, dass das Gegenleistungsverhältnis auch bei der Bestimmung des Wertersatzes zu berücksichtigen ist und bei einer mangelhaften Leistung der Wert der Gegenleistung zu mindern ist, damit der Rückgewährschuldner nicht im praktischen Ergebnis um seine Rechte wegen der Mangelhaftigkeit gebracht wird.

Die Verpflichtung zur Leistung von Wertersatz entfällt und das Risiko des Untergangs fällt auf den Gläubiger des Rückgewähranspruchs zurück,

  1. wenn sich der zum Rücktritt berechtigende Mangel erst während der Verarbeitung oder Umgestaltung des Gegenstandes gezeigt hat (§ 346 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB),
  2. soweit der Gläubiger (des Rückgewährs- bzw. Wertersatzanspruchs) die Verschlechterung oder den Untergang zu vertreten hat oder der Schaden bei ihm gleichfalls eingetreten wäre (§ 346 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2), und schließlich
  3. wenn im Fall des gesetzlichen Rücktrittsrechts die Verschlechterung oder der Untergang beim Rücktrittsberechtigten eingetreten ist, obwohl dieser diejenige Sorgfalt beobachtet hat, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt (§ 346 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3).

Eine noch vorhandene Bereicherung ist aber auf jeden Fall herauszugeben (§ 346 Abs. 3 Satz 2 BGB).

Bemerkenswert ist an der Gesamtregelung, dass nicht der Rücktritt als solcher ausgeschlossen wird (so in weitem Umfang die frühere Regelung), sondern allein noch darüber befunden wird, ob der Beteiligte, der seine Rückgewährsschuld nicht oder nicht vollständig erfüllen kann, Wertersatz leisten muss oder nicht. Dabei ist die Privilegierung dessen, der sich auf ein gesetzliches Rücktrittsrecht stützen kann (§ 346 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BGB), nach den Vorstellungen des Gesetzgebers dadurch begründet, dass dieses Rücktrittsrecht regelmäßig durch eine Vertragspflichtverletzung des Gegners entsteht. Im Text der Norm kommt diese Vorstellung nicht zum Ausdruck. Er spricht unterschiedslos von gesetzlichen Rücktrittsrechten und erfasst damit auch solche, die nicht durch eine Vertragsverletzung des Gegners ausgelöst sind, wie etwa die Rücktrittsmöglichkeit aus § 313 Abs. 3 BGB. Das wirft die Frage nach einer teleologischen Reduktion des Privilegs auf die Fälle der gesetzlichen Rücktrittsrechte auf, die auf einer Pflichtverletzung des Gegners beruhen. Dafür sprechen in der Tat starke Gründe.

Nach erfolgtem Rücktritt muss der Schuldner Wertersatz für nicht gezogene Nutzungen leisten, soweit die Nutzungen hätten gezogen werden können und nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft auch gezogen werden müssen (§ 347 Abs. 1 BGB). Diese Ersatzpflicht wird zwar erst durch den Rücktritt ausgelöst; sie beginnt aber nicht erst im Zeitpunkt des Rücktritts, sondern vom Zeitpunkt des Empfangs der Leistung an. Bei Geldleistungen kann das zu einer Verzinsungspflicht führen, wenn bei ordnungsgemäßer Wirtschaft das Geld Zins bringend angelegt worden wäre. Im Falle des gesetzlichen Rücktrittsrechts muss der Schuldner allerdings auch hier nur für diejenige Sorgfalt einstehen, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt.

Der Schuldner hat nach § 347 Abs. 2 einen Anspruch auf Ersatz seiner notwendigen Verwendungen. Andere Aufwendungen muss der Gläubiger nur ersetzen, wenn er durch diese bereichert ist.

Nach § 348 S. 1 BGB erfolgt die Rückabwicklung Zug um Zug. Nach § 348 S. 2 BGB gelten auch die §§ 320, 322 BGB. Nicht verwiesen wird auf § 326 BGB. Das hat in folgender Fallgestaltung Auswirkungen: Wird nach der Rücktrittserklärung beim gesetzlichen Rücktritt die Rückgewähr des Erhaltenen ohne Verschulden unmöglich, dann ist der bezüglich dieser Leistung Rückgewährpflichtige gemäß § 346 Abs. 3 und 4 BGB ersatzlos frei geworden, während er seinen Anspruch auf Rückgewähr der Gegenleistung behält. Das würde die Anwendung von § 326 Abs. 1 BGB ändern, denn danach würde auch der Anspruch auf Rückgewähr der Gegenleistung erlöschen. Der Gesetzgeber hat sich gegen die Anwendung des § 326 Abs. 1 BGB auf das Rückgewährschuldverhältnis entschieden. 

Schadensersatz

Mit Blick auf mögliche Schadensersatzansprüche ist die Situation nach der Rücktrittserklärung von der Situation vor der Rücktrittserklärung zu unterscheiden. Nach der Rücktrittserklärung entsteht das beschriebene Rückabwicklungsverhältnis. Für die in ihm entstehenden Ansprüche gelten nach § 346 Abs. 4 BGB die allgemeinen Regeln. Wird die Rückgewähr aus Gründen, die der Rückgewährschuldner zu vertreten hat, unmöglich oder sonst beeinträchtigt, so schuldet der Rückgewährschuldner Schadensersatz nach Maßgabe der §§ 280 bis 283 BGB. Für einen Untergang oder eine Verschlechterung vor der Erklärung des Rücktritts kommt nur ein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 in Verbindung mit § 241 Abs. 2 BGB in Betracht. Dabei kann man ein Verschulden im Umgang mit der Sache nur annehmen, wenn der spätere Rückgewährsschuldner damit rechnen musste, dass es einen gegen ihn gerichteten Rückgewährsanspruch geben würde.

Das ist beim vertraglich vorbehaltenen Rücktrittsrecht immer der Fall, beim gesetzlichen Rücktrittsrecht dagegen erst dann, wenn man Kenntnis vom Rücktrittsgrund erlangt. Beim vertraglich vorbehaltenen Rücktritt müssen die Vertragsbeteiligten damit rechnen, dass ein Rücktritt erfolgt. Das ist bei den gesetzlichen Rücktrittsrechten anders, da sie regelmäßig nur in solchen Fällen eingreifen, in denen es zu einer Störung des Vertragsprogramms kommt. Damit muss man nicht unbedingt rechnen. Aus diesem Grunde privilegiert ja auch das Gesetz den Rücktrittsschuldner eines gesetzlichen Rücktrittsrechts und zieht ihn schon zu Wertersatz nur heran, wenn er die Sorgfalt nicht beobachtet, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt (§§ 346 Abs. 3 Nr. 3 und 347 Abs. 1 Satz 2 BGB). Eine Schadensersatzverpflichtung aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB kommt erst recht nicht in Betracht. Denn wer auf Grund eines Vertrages ohne Rücktrittsvorbehalt erworben hat, muss nicht mit einer Rückgewähr rechnen, bis der Grund für den Rücktritt festgestellt ist. Er kann deshalb nicht verpflichtet sein, sich über lange Zeit hinweg auf eine Rückgewährspflicht einzustellen und den empfangenen Gegenstand sorgfältig zu behandeln. Hier kommt ein echtes, eine Pflichtverletzung voraussetzendes Verschulden nicht in Betracht. Ein Schadensersatzanspruch scheidet deshalb vor Kenntnis des Rücktrittsgrundes aus.

 Nach der Kenntnis ist er zu einem sorgfältigen Umgang mit der ja eventuell zurückzugebenden Sache verpflichtet. Insoweit besteht auch kein Raum mehr für das Privileg des § 277 BGB. Das Privileg formuliert der Gesetzgeber nur mit Blick auf den Wertersatzanspruch. Danach ist dem Betroffenen vor Kenntnis des Rücktrittsgrundes auch ein Risiko behafteter Umgang mit dem Gegenstand erlaubt. Er darf zum Beispiel mit dem erworbenen Auto fahren. Erst wenn durch grob fahrlässigen Umgang mit dem Gegenstand eine Verschlechterung oder ein Untergang verursacht wird, darf der Rücktrittsberechtigte zwar immer noch zurücktreten; er muss aber Wertersatz leisten (§ 277 BGB). Ab der Kenntnis des Rücktrittsgrundes muss er bei jedem Verschulden Schadensersatz leisten.

3. Der Widerruf und die Rückgabe bei Verbraucherverträgen

Durch Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft war der deutsche Gesetzgeber gehalten, für bestimmte Arten von Geschäften zwischen Unternehmern und Verbrauchern dem Verbraucher eine Überlegungsfrist einzuräumen, innerhalb derer der Verbraucher sich von dem abgeschlossenen Vertrag durch Widerruf oder Rückgabe der Sache lossagen kann. Das gilt für Haustürgeschäfte, Verbraucherkredite, Geschäfte im Fernabsatz und andere Geschäfte. Die einschlägigen Regelungen finden sich inzwischen im BGB. Das gilt sowohl für die Fälle des Widerrufs und der Rückgabe (§§ 312, 312d, 485, 495, 503 BGB) wie für ihre (fristgerechte) Ausübung und ihre Folgen (§§ 355 bis 359 BGB).

Für die Folgen ordnet § 357 Abs. 1 BGB die Anwendung der für den gesetzlichen Rücktritt geltenden Regelungen an. Abweichend von § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 muss der Verbraucher Wertersatz auch für eine durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung Wertersatz leisten, wenn er spätestens bei Vertragsschluss in Textform auf diese Rechtsfolge und eine Möglichkeit, sie zu vermeiden, hingewiesen worden ist (§ 357 Abs. 3 Satz 1 BGB). Und das Privileg des § 346 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BGB findet für den Verbraucher keine Anwendung, wenn er über sein Widerrufsrecht ordnungsgemäß belehrt worden ist oder hiervon anderweitig Kenntnis erlangt hat (§ 357 Abs. 3 Satz 3 BGB). Der Grund für die Zurücknahme des Schutzniveaus liegt nicht im Unterschied von Verbrauchern zu anderen Abnehmern; der Grund liegt in der gegenüber normalen gesetzlichen Rücktrittsrechten anderen Ausgangslage. Den normalen gesetzlichen Rücktrittsrechten liegen regelmäßig Vertragsverletzungen der anderen Seite zugrunde. Über die Ausübung des Widerrufs entscheidet einzig und allein der Verbraucher nach seinem Gutdünken. Es bestehen allerdings erhebliche Bedenken, ob die Zurücknahme des Schutzniveaus mit dem Europarecht vereinbar ist (vgl. dazu Wildemann in: jurisPK-BGB, § 357 Rdnr. 42).

Eine weitere Besonderheit ist die Kostenregelung in § 357 Abs. 2 BGB.

4. Die Kündigung

Im Gegensatz zum Rücktritt lässt die Kündigung den in der Vergangenheit bereits erfüllten Teil des Schuldverhältnisses unberührt, sie wirkt nur in die Zukunft. Sie ist das geborene Medium zur Beendigung von Dauerschuldverhältnissen, z.B. Miete, Dienstvertrag und langfristiger Bezugsverträge. Dauerschuldverhältnisse können auf bestimmte Zeit geschlossen werden. Dann enden sie ohne weiteres mit Zeitablauf, z.B. § 542 Abs. 2 BGB. Dauerschuldverhältnisse können aber auch auf unbestimmte Zeit abgeschlossen werden. Hier ist die Kündigung nötig, um überhaupt das Schuldverhältnis beenden zu können (§ 542 Abs. 1 BGB). Sie bedarf dann als ordentliche Kündigung regelmäßig keines Grundes, steht also im Belieben des Kündigenden, ist aber regelmäßig fristgebunden, d.h. sie löst die jeweiligen Vertragsbeziehungen nicht bereits im Augenblick ihres Zugangs beim Empfänger auf, sondern wirkt erst auf einen späteren Zeitpunkt, damit dem Kündigungsgegner Gelegenheit gegeben wird, sich auf die neue Rechtslage einzustellen. Eine Ausnahme bilden wegen ihrer die Existenz sichernden Bedeutung insofern die Wohnungsmiete und das Arbeitsverhältnis, bei denen ausnahmsweise auch die ordentliche Kündigung eines Grundes bedarf.

Anders als die ordentliche Kündigung hat die außerordentliche Kündigung nicht den Zweck, dem sonst fortlaufenden Vertrag ein Ende zu geben, vielmehr soll mit ihr eine vorzeitige Auflösung erreicht werden, wofür es eines besonderen Grundes bedarf. Häufig, aber nicht zwingend, ist die außerordentliche Kündigung fristlos. Einzelheiten gehören in die Behandlung der spezifischen Verträge, die späteren Veranstaltungen vorbehalten ist. Aus den Vorschriften der §§ 626, 671 Abs. 2 und 3, 723 Abs. 1 Satz 2 BGB hat die Rechtsprechung den allgemeinen Rechtsgedanken hergeleitet, dass bei Rechtsverhältnissen von längerer Dauer, die ein persönliches Zusammenarbeiten der Beteiligten und daher ein gutes Einvernehmen erfordern, beim Vorliegen eines wichtigen Grundes, jederzeit die Aufkündigung erfolgen kann. Diesem Gedanken hat der Gesetzgeber mit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz in § 314 BGB gesetzliche Gestalt gegeben. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses, sei es auch nur bis zum Ablauf der normalen Kündigungsfrist, einem Teil unter Berücksichtigung der Eigenart des Schuldverhältnisses, des gesamten Verhaltens und der Interessen beider Vertragsteile nicht zugemutet werden kann. Ob das der Fall ist, kann nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles entschieden werden.

Vereinzelt spricht das BGB auch bei Schuldverhältnissen, die keine Dauerschuldverhältnisse sind, von Kündigung, insbesondere: §§ 649, 650 und 671 Abs. 2 und 3. Ihre Darstellung gehört in die Vorlesung zu den besonderen Vertragsschuldverhältnissen in einem späteren Stadium Ihres Studiums.

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© Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Rüßmann. 
Bei Fragen und Unklarheiten wenden sich meine Studenten bitte an:
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