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Bewirken der geschuldeten Leistung

Das Schuldverhältnis im engeren Sinne, d.h. die zwischen Gläubiger und Schuldner bestehende Forderungsbeziehung, erlischt gemäß § 362 Abs. 1 BGB, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird. Dabei ist mit Bewirken der "Leistung" das Herbeiführen des Leistungserfolges und nicht etwa nur die Vornahme von Leistungshandlungen gemeint. Im Falle eines Kaufvertrages bedeutet dies z.B., dass der Verkäufer dem Käufer den unmittelbaren Besitz und das Eigentum an dem verkauften Gegenstand verschaffen muss (§ 433 Abs. 1 Satz 1 BGB). Besonders deutlich wird dies am Beispiel des Werkvertrages, bei dem der Unternehmer die geschuldete Leistung nur durch das Herstellen des Werkes (Leistungserfolg) bewirken kann, nicht aber durch das bloße Arbeiten am Werk (Leistungshandlung) (§ 631 Abs. 1 1. HS BGB).

Die Vornahme einer Leistungshandlung genügt dagegen dann zum Bewirken der "Leistung", wenn der Schuldner eine nicht erfolgsbezogene Handlung oder ein Unterlassen schuldet. Paradebeispiel hierfür ist der Dienstvertrag, bei dem der Dienstverpflichtete lediglich die Vornahme der vereinbarten Arbeitsleistung als solcher schuldet (§ 611 Abs. 1 1. HS BGB).

Zur Erfüllung reicht es selbstverständlich nicht aus, dass der Schuldner irgendeine Leistung erbringt. Erforderlich ist vielmehr, dass der Schuldner die "geschuldete" Leistung erbringt, also in der rechten Zeit, am rechten Ort und in der rechten Art und Weise leistet. Demnach führt die Erbringung einer von der vertraglichen Vereinbarung abweichenden (mangelhaften) Leistung nicht zur Erfüllung. Das gilt nunmehr kraft gesetzlicher Anordnung auch beim Stückkauf, wenn der geleistete Kaufgegenstand einen Mangel im Sinne des § 434 BGB aufweist.

Hinsichtlich der Erfüllung der "geschuldeten Leistung" ist auch umstritten, ob und wann der Schuldner einer Geldschuld die Forderung durch eine Banküberweisung erfüllen kann. Dabei ist die Frage, ob der Schuldner mit "Buchgeld" zahlen darf, von der Frage zu trennen, ob diese "Zahlung" dann auch zur Erfüllung im Sinne des § 362 Abs. 1 BGB führt oder eine Leistung an Erfüllungs statt im Sinne des § 364 Abs. 1 BGB darstellt. Ob eine Forderung durch "Buchgeld" - also durch Zuwendung eines Auszahlungsanspruchs gegen die Bank - beglichen werden darf, bestimmt sich nach herrschender Meinung alleine nach der Parteivereinbarung (BGH NJW 1983, 1605, 1606). Haben die Parteien darüber - wie meist - keine ausdrückliche vertragliche Vereinbarung getroffen, dann ist die Frage nach dieser Auffassung durch Vertragsauslegung zu beantworten (§§ 133, 157 BGB). So ergibt sich z.B. aus der Verkehrssitte, dass bei einem alltäglichen Kauf in einem Lebensmittelgeschäft alleine die Zahlung mit Bargeld vereinbart ist, während sich andererseits aus der Interessenlage beider Parteien eine Beschränkung auf "Buchgeld" ergibt, wenn größere Beträge auf eine weite Distanz zu leisten sind (vgl. dazu Gernhuber, Die Erfüllung und ihre Surrogate, § 11, 3). Die Rechtsprechung geht davon aus, dass die Parteien stillschweigend vereinbart haben, dass eine Geldschuld sowohl mit Bar- als auch mit Buchgeld erfüllt werden kann, wenn der Gläubiger dem Schuldner sein Girokonto auf Briefen, Rechnungen und dergleichen bekannt gegeben hat (BGHZ 98, 24, 30).

Eine verbreitete Auffassung in der Literatur will dagegen unabhängig von der Vereinbarung der Parteien wegen der Üblichkeit des bargeldlosen Zahlungsverkehrs im Wirtschaftsleben und der Verkehrsanschauung der beteiligten Kreise die Zahlung mit "Buchgeld" der Zahlung mit Bargeld gleichstellen. Nach dieser Auffassung können also Geldschulden ohne weiteres mit Buchgeld erfüllt werden, es sei denn die Parteien hätten ausdrücklich etwas anderes vereinbart (Medicus, Bürgerliches Recht, Rdnr. 757; Gernhuber, Die Erfüllung und ihre Surrogate, § 11, 2 (S. 195 f.)). Selbst wenn man dieser Auffassung mit der Rechtsprechung nicht folgen will, so muss man doch zur Kenntnis nehmen, dass die Zahlung mit Buchgeld jedenfalls im Verkehr zwischen Kaufleuten Handelsbrauch ist und daher mit Rücksicht auf § 346 HGB zur Erfüllung von Geldschulden führt.

Zu erörtern bleibt die Frage, ob die nach den in Literatur und Rechtsprechung diskutierten Kriterien zulässige Begleichung einer Geldschuld mit "Buchgeld" zur Erfüllung gemäß § 362 Abs. 1 BGB führt oder ob es sich dabei um eine Leistung an Erfüllungs statt gemäß § 364 Abs. 1 BGB handelt. Die h.M. in der Literatur will bei der Zahlung mit Buchgeld § 362 Abs. 1 BGB anwenden (Palandt/Grüneberg, § 362 Rdnr. 9; MüKo/Wenzel, § 362 Rdnr. 22), der BGH dagegen hat sich in einer sehr frühen Entscheidung auf die Bejahung einer Leistung an Erfüllungs statt festgelegt (BGH NJW 1953, 897). In neueren Entscheidungen dagegen lässt der BGH die Frage offen, da sie nur von untergeordneter Bedeutung sei (BGH NJW 1983, 1605, 1606; BGHZ 98, 24, 30). Dem ist zuzustimmen, weil die h.M. auch bei Anwendung von § 362 Abs. 1 BGB die Erfüllungswirkung einer Überweisung von der Parteivereinbarung abhängig macht, so dass unabhängig davon, ob man eine Leistung an Erfüllungs statt bejaht oder nicht, eine Geldschuld nur dann mit Buchgeld beglichen werden kann, wenn der Gläubiger mit dieser Zahlungsweise einverstanden ist.

Fraglich ist, ob der Schuldner die geschuldete Leistung persönlich erbringen muss. Dies ist gemäß § 267 Abs. 1 Satz 1 BGB nur dann der Fall, wenn in dem Vertrag ausdrücklich oder konkludent vereinbart wurde, dass "der Schuldner in Person zu leisten hat". Bei bestimmten Verträgen wie z.B. dem Dienstvertrag wird sogar von Gesetzes wegen vermutet, dass die Leistung höchstpersönlich zu erbringen ist (§§ 613 Satz 1 BGB). Grundsätzlich aber kann der Schuldner die Leistung durch Einschaltung von Dritten bewirken.

Nimmt man den Wortlaut des § 362 Abs. 1 BGB ernst, so genügt es zur Erfüllung, dass der Schuldner die soeben erörterten und in der Vorschrift genannten Voraussetzungen erfüllt. Ohne jeden weiteren rechtsgeschäftlichen Akt würde dann allein das reale Bewirken der geschuldeten Leistung das Schuldverhältnis im engeren Sinne zum Erlöschen bringen. Dies wird denn auch von der Theorie der realen Leistungsbewirkung vertreten. Demgegenüber behaupten zahlreiche andere Auffassungen, dass der Tatbestand des § 362 Abs. 1 BGB um ein ungeschriebenes subjektives Merkmal zu ergänzen sei. Zwischen diesen Auffassungen ist lediglich streitig, welchen Inhalt dieses subjektive Merkmal haben soll. Nur noch von historischem Interesse ist insoweit die heute praktisch nicht mehr vertretene Vertragstheorie, nach der die Erfüllung neben der Bewirkung der geschuldeten Leistung den Abschluss eines auf Aufhebung des Schuldverhältnisses gerichteten Erfüllungsvertrages voraussetzt. Dagegen verlangt die modifizierte (eingeschränkte) Vertragstheorie den Abschluss eines Erfüllungsvertrages nur noch dann, wenn für die Herbeiführung des Leistungserfolges ein Rechtsgeschäft (wie z.B. die Übereignung der Kaufsache beim Kaufvertrag) erforderlich ist. Danach wäre es z.B. bei einem Werkvertrag, bei dem der Unternehmer lediglich einen tatsächlichen Erfolg schuldet, für die Erfüllung der Verpflichtung des Unternehmers ausreichend, wenn dieser das Werk herstellt. Schließlich fordert die Theorie der finalen Leistungsbewirkung für die Erfüllung neben der Bewirkung der geschuldeten Leistung die Abgabe einer einseitigen Leistungszweckbestimmung (Tilgungsbestimmung) durch den Schuldner. Diese Tilgungsbestimmung wird dabei regelmäßig als geschäftsähnliche Handlung qualifiziert (zusammenfassend zu den Erfüllungstheorien: Musielak, Grundkurs BGB, Rdnrn. 209 und 210).

Dass der Erfüllungsleistung eine Zweckbestimmung mitgegeben werden muss, zeigt die einfache Überlegung, dass die bloße Hingabe der Leistung, die bloße Vermögenszuwendung, nicht erkennen lässt, was der Hingebende mit der Hingabe bezweckt. Schon das römische Recht unterschied die nahe liegenden Hingabezweckbestimmungen der Erfüllung (datio solvendi causa), der Schenkung (datio donandi causa) und der Erreichung eines weiteren Zwecks (datio ob rem). Allein die Tilgungsbestimmung macht eine Leistung zur Erfüllungsleistung.

Eine gewisse Klausurrelevanz können die Erfüllungstheorien haben, wenn es um Leistungen an Minderjährige geht. In diesen Fällen bieten die Vertragstheorien dem Minderjährigen offensichtlich einen weitreichenden Schutz: Da der Erfüllungsvertrag den Anspruch des Minderjährigen zum Erlöschen bringen würde, ist er nicht lediglich rechtlich vorteilhaft im Sinne des § 107 BGB. Dies bedeutet aber, dass ein Minderjähriger einen Erfüllungsvertrag ohne Zustimmung seiner gesetzlichen Vertreter nicht wirksam abschließen kann, so dass bei Anwendung der Vertragstheorien eine befreiende Leistung an einen Minderjährigen ohne Mitwirkung seiner Eltern nicht möglich wäre. Dieses dem Minderjährigenschutz dienende Ergebnis erreichen aber auch die Theorien einseitiger Leistungsbewirkung, indem sie für die Erfüllung verlangen, dass die Person, an die die Leistung bewirkt wird, auch zur Annahme der Leistung befugt ist. Diese Annahmebefugnis wird durch den Begriff der "Empfangszuständigkeit" gekennzeichnet und bei Minderjährigen und geschäftsunfähigen Personen verneint. Die Erfüllungstheorien kommen demnach bei der Frage der Erfüllungswirkung der Leistung an einen Minderjährigen zum gleichen Ergebnis, so dass es sich in einer Klausur empfiehlt, den Streit nur knapp darzustellen und unentschieden zu lassen.

Außer dem geschäftsfähigen Gläubiger können auch dessen "Hilfspersonen" empfangszuständig sein, wenn der Gläubiger sie zur Entgegennahme der Leistung in seinem Namen ermächtigt hat und sie die Leistung für den Gläubiger entgegennehmen. Als solche empfangszuständigen Hilfspersonen kommen sowohl Empfangsvertreter als auch Empfangsboten des Gläubigers in Betracht. Es kann aber auch vorkommen, dass eine andere Person als der Gläubiger die Leistung im eigenen Namen und für sich selbst entgegen nimmt. Diese Person ist dann keine im Lager des Gläubigers stehende Hilfsperson mehr, sondern "Dritter". Nimmt ein "Dritter" die Leistung entgegen, dann führt dies nur unter den Voraussetzungen der §§ 362 Abs. 2, 185 BGB sowie dann zur Erfüllung, wenn der Dritte ein Nießbrauchs- oder Pfandrecht an der Forderung hat. Der praktisch wichtigste Fall hiervon ist derjenige, dass der Gläubiger dem Dritten im Wege einer Einziehungsermächtigung erlaubt hat, die Leistung im eigenen Namen in Empfang zu nehmen.

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© Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Rüßmann. 
Bei Fragen und Unklarheiten wenden sich meine Studenten bitte an:
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