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Gläubigerverzug1. BegriffsbestimmungEin Gläubigerverzug oder Annahmeverzug liegt vor, wenn die Erfüllung des Schuldverhältnisses dadurch verzögert wird, dass der Gläubiger die seinerseits erforderliche Mitwirkung unterlässt. Die Nichtannahme der Leistung führt dazu, dass keine Erfüllungswirkung eintreten kann. Es kommt auch nicht aus anderen Gründen zu einer Schuldbefreiung des Schuldners. Dennoch sollen die Voraussetzungen und Folgen des Gläubigerverzugs an dieser Stelle behandelt werden. 2. Voraussetzungen des Gläubigerverzugs
Aus § 297 BGB ergibt sich, dass die Unmöglichkeit der Leistung und das Unvermögen des Schuldners den Annahmeverzug ausschließen. Die Abgrenzung zwischen Gläubigerverzug und Unmöglichkeit ist danach vorzunehmen, ob die zurzeit fehlende Mitwirkung des Gläubigers nachholbar bleibt, dann handelt es sich um einen Fall des Verzuges, oder ob die Leistung später nicht mehr erbracht werden kann, dann ist Unmöglichkeit gegeben. Wird die Annahme der Leistung durch den Gläubiger seinerseits geschuldet, wie dies z.B. nach § 640 Abs. 1 BGB beim Werkvertrag der Fall ist, so kann der Gläubiger zugleich in einen Gläubiger- wie in einen Schuldnerverzug kommen.
Gemäß § 294 BGB ist ein tatsächliches Angebot des Schuldners erforderlich. Der Schuldner muss demnach die Leistungshandlung zur rechten Zeit, am rechten Ort und in der geschuldeten Art und Weise vornehmen. Liegt eine Bringschuld vor, so hat der Schuldner die geschuldete Leistung tatsächlich zum Gläubiger zu bringen. Bei einer Schickschuld, insbesondere bei einem Versendungskauf, muss die vom Schuldner abgesandte Ware beim Gläubiger eintreffen; der bereits mit der Absendung eintretende Gefahrübergang nach § 447 BGB ist insoweit ohne Bedeutung. Lediglich bei einer Holschuld genügt ein wörtliches Angebot nach § 295 S. 1 BGB. Ebenso genügt nach § 295 BGB das wörtliche Angebot, wenn der Gläubiger eindeutig und bestimmt erklärt, dass er die Leistung nicht annehmen werde. Die Annahmeverweigerung kann zeitlich vor dem Angebot erklärt werden. Wenn offenkundig ist, dass der Gläubiger auf der Annahmeverweigerung beharrt, ist es streitig, ob es überhaupt noch eines wörtlichen Angebotes bedarf. Es wird die Auffassung vertreten, dass in einem solchen Fall das wörtliche Angebot nur eine leere Form darstelle und aus diesem Grunde auf sie verzichtet werden könne (so z.B. Palandt/Heinrichs § 295 Rn. 4). Der BGH hat dazu noch nicht abschließend Stellung genommen. In BGH NJW 1988, 1201 (1201) hat er jedoch nicht ausgeschlossen, dass es Fälle gibt, in denen das wörtliche Angebot als eine sinnlose und damit entbehrliche Formalität angesehen werden kann. Sollte jedoch unter den konkreten Umständen eine noch so geringe Chance bestehen, dass der Gläubiger seinen Standpunkt verlässt, bedarf es auf jeden Fall eines wörtlichen Angebots. Das wörtliche Angebot im Sinne des § 295 BGB stellt eine geschäftsähnliche Handlung dar, für die die §§ 104 ff. BGB analog gelten. Das bedeutet insbesondere, dass für das wörtliche Angebot ein Zugang nach § 130 BGB erforderlich ist. Das tatsächliche Angebot im Sinne des § 294 BGB hingegen ist ein Realakt, auf den die Vorschriften über die Willenserklärung unanwendbar sind. Der kalendermäßig bestimmte Zeitpunkt für die Vornahme der Leistungshandlung ersetzt gemäß § 296 BGB das Angebot des Schuldners.
Relevant ist diesbezüglich nur die tatsächliche Nichtannahme. Ohne Bedeutung ist der Grund der Nichtannahme, insbesondere bedarf es für den Gläubigerverzug keines Verschuldens. Ein Gläubigerverzug ist auch dann gegeben, wenn der Gläubiger die Leistung zwar anzunehmen bereit ist, die verlangte Gegenleistung selbst aber nicht anbietet (§ 298 BGB). Eine vorübergehende Annahmeverhinderung bringt den Gläubiger nur dann in Verzug, wenn der Schuldner ihm die Leistung eine angemessene Zeit vorher angekündigt hat (§ 299 BGB). 3. Folgen des GläubigerverzugsDie Rechtsfolgen des Gläubigerverzugs beruhen auf dem Gedanken, dass die Annahme der Leistung für den Gläubiger nur eine Obliegenheit darstellt. Somit führt der Gläubigerverzug zu einer Entlastung des Schuldners. Dies führt allerdings ebenso wie der Schuldnerverzug nicht zu einer Befreiung des Schuldners von seiner Leistungspflicht (Ausnahme § 615 S. 1 BGB). Der Schuldner wird aber von seiner Haftung hinsichtlich leichter Fahrlässigkeit befreit. Gemäß § 300 Abs. 1 BGB hat er während des Gläubigerverzugs nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten. Auch wenn der Haftungsmaßstab für den Schuldner gemindert ist, greift die Beweislastregel des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB ein. Während des Gläubigerverzuges muss der Schuldner folglich die Tatsachen behaupten und beweisen, aus denen sich ergibt, dass die Undurchführbarkeit der Leistung nicht auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beruht. § 300 Abs. 2 BGB bestimmt, von welchem Zeitpunkt an der Gattungsschuldner bei nicht zu vertretendem Untergang oder Verschlechterung des Leistungsgegenstandes von seiner Vertragspflicht frei wird. Die Folge ist demnach, dass sich die ursprüngliche Gattungsschuld durch Konkretisierung lediglich noch auf eine dadurch entstandene Stückschuld bezieht. Der Gläubiger trägt damit dann die Leistungsgefahr. Häufig tritt eine Konkretisierung allerdings bereits vor dem Gläubigerverzug ein, nämlich dann, wenn die Voraussetzungen des § 243 Abs. 2 BGB vorliegen. § 300 Abs. 2 BGB gilt entsprechend auch für Geldschulden, allerdings lediglich hinsichtlich der reinen Sachgefahr, nicht hinsichtlich eines Geldwertverlustes oder des Währungsrisikos. Gemäß § 301 BGB hat der Schuldner von einer verzinslichen Geldschuld während des Verzugs des Gläubigers keine Zinsen zu entrichten. Des Weiteren ist der Schuldner, der Nutzungen eines Gegenstandes herauszugeben oder zu ersetzen hat, während des Gläubigerverzugs nicht mehr verpflichtet, Sorge für die tatsächliche Nutzenziehung zu tragen (§ 302 BGB). Es kann ihm folglich nicht mehr vorgeworfen werden, er habe es schuldhaft unterlassen, Nutzungen aus dem Schuldgegenstand zu ziehen. § 304 BGB gibt dem Schuldner im Falle des Gläubigerverzugs einen Ersatzanspruch auf Ersatz der objektiv notwendigen Mehraufwendungen, wobei sich die Notwendigkeit nach Angemessenheit und Zweckmäßigkeit bemisst. Es genügt nicht, dass der Schuldner die Aufwendungen für erforderlich halten durfte. |
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