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Deliktischer Sach- und Vermögensschutz
Die Schutzrichtungen des Deliktsrechts zielen in zwei große Bereiche. Der eine
betrifft den Schutz der Person und der andere den Sach- und Vermögensschutz. Wir wenden
uns zunächst dem Sach- und Vermögensschutz zu.
Rechtsgüterschutz in § 823 Abs. 1 BGB
Im Rahmen des
§ 823 Abs. 1 BGB wird der Sach- und Vermögensschutz über das
eigens genannte Eigentumsrecht und die sonstigen Rechte gewährleistet.
Eigentum
Das Eigentumsrecht ist nicht nur gegen Substanzverletzungen (eine Sache wird zerstört
oder beschädigt), Sachentziehungen (eine Sache wird gestohlen oder versteckt), sondern
auch gegen Rechtsentziehungen geschützt. Die Rechtsentziehungen sind dadurch
gekennzeichnet, dass der ursprüngliche Eigentümer sein Eigentum gegen seinen Willen
verliert. Wann das der Fall ist, beantworten die Tatbestände des sog. originären
Eigentumserwerbs. Man kann hier etwa an den Erwerb durch Hoheitsakt im Rahmen einer
Zwangsversteigerung denken, aber auch an die verschiedenen Möglichkeiten des
gutgläubigen Erwerbs.
Ohne Zweifel haftet der Veräußerer einer ihm nicht gehörenden Sache, die ein anderer
gutgläubig erwirbt, dem Eigentümer der Sache nach
§ 823 Abs. 1 BGB auf
Schadensersatz, wenn ihm eine Sorgfaltspflichtverletzung nachgewiesen werden kann.
Fraglich ist, ob das auch für den gutgläubigen Erwerber gilt, der hätte erkennen
können, dass ihm ein unberechtigter Veräußerer gegenübersteht. Eine bejahende Antwort
könnte in Konflikt geraten mit den Vorschriften über den Gutglaubenserwerb, der bei
beweglichen Sachen nur bei grob fahrlässiger Unkenntnis der Nichtberechtigung und bei
unbeweglichen Sachen sogar nur bei Kenntnis der Unrichtigkeit des Grundbuchs
ausgeschlossen ist. Da wir davon ausgehen müssen, dass die im Rahmen der
Gutglaubensvorschriften getroffenen Interessenabwägungen für die uns interessierenden
Fallgestaltungen die spezielleren sind, muss das allgemeine Deliktsrecht sich den
Wertungen des Sachenrechts anpassen. Der gutgläubige Erwerber braucht das von ihm
erworbene Eigentum nicht nach den Vorschriften über die unerlaubte Handlung i.V. mit den
Vorschriften des Schadensrechts an den ursprünglichen Eigentümer herauszugeben, dem
ursprünglichen Eigentümer des Eigentum zurückzuübertragen.
Substanzverletzung, Sachentziehung und Rechtsentziehung sind unproblematische Fälle des
Sach- und Vermögensschutzes in
§ 823 Abs. 1 BGB. Problematisch wird es, wenn
es um Nutzungsbeeinträchtigungen geht, die die Sache und das Recht unberührt lassen.
Hier gerät man leicht in Schwierigkeiten, eine Grundentscheidung des Gesetzgebers zu
verletzen. Die geht dahin, im Rahmen des
§ 823 Abs. 1 BGB keinen allgemeinen
Vermögensschutz zu gewähren. Würde man nun sämtliche Nutzungsbeeinträchtigungen als
Eigentumsverletzungen ansehen, käme man in die unmittelbare Nähe eines allgemeinen
Vermögensschutzes im Rahmen des
§ 823 Abs. 1 BGB. Da muss man sich
Eingrenzungskriterien einfallen lassen, die der BGH im Fleet-Fall in der Weise gefunden
hat, dass eingeschlossenes Eigentum verletztes Eigentum und (von den Quellen der Nutzung)
ausgeschlossenes Eigentum kein verletztes Eigentum sei.
Gericht: BGH 2. Zivilsenat, Datum: 21.12.1970, Az: II ZR 133/68
Leitsatz
1. Aus der Pflicht, die Schiffbarkeit eines Gewässers zu unterhalten, kann sich auch
die Verpflichtung des Unterhaltungspflichtigen ergeben, durch geeignete
Sicherungsmaßnahmen den drohenden Einsturz einer erkennbar baufälligen Ufermauer, auf
der die Außenwand eines Hauses errichtet ist, zu verhindern.
2. Wird ein Schiff durch ein vom Unterhaltungspflichtigen eines schiffbaren Gewässers
schuldhaft verursachtes Schiffahrtshindernis (hier: Balkensperre eines Anliegers zur
Stützung einer bereits teilweise eingestürzten Hausmauer und Ufermauer) in einem Teil
des Gewässers derart eingeschlossen, daß es jede Bewegungsmöglichkeit verliert, so
haftet der Unterhaltungspflichtige dem Schiffseigentümer nach
BGB § 823 Abs 1 wegen
Verletzung des Eigentums für den durch das Festliegen des Schiffes entstandenen Schaden.
3. Können Schiffe wegen der durch Verletzung der Unterhaltungspflicht herbeigeführten
Sperrung eines schiffbaren Gewässers nicht zu einer hinter der Sperre liegenden und
dadurch vom Wasser her nicht mehr zugänglichen Verladestelle gelangen, so liegt kein
Eingriff des Unterhaltungspflichtigen in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb
der Schiffseigentümer vor, die an dieser Verladestelle laden oder löschen wollen.
Fundstelle
BGHZ 55, 153-162 (LT1-3)
NJW 1971, 886 (ST1-3)
Tatbestand
Die beklagte Bundesrepublik ist Eigentümerin eines als Bundeswasserstraße
eingetragenen Fleets, das in B. eine Mühle mit dem dortigen Hafen verbindet. In das Fleet
stürzte in der Nacht vom 21. zum 22. Oktober 1962 ein 3 bis 4 m langes Stück der
Ufermauer mit einem Teil der darauf ruhenden Außenwand eines Wohnhauses. Um den weiteren
Einsturz des Hauses zu verhindern, ließ der Eigentümer dieses, und zwar in Vollzug einer
baupolizeilichen Verfügung, abstützen. Hierbei wurden zwei Baumstämme so angebracht,
daß sie unmittelbar über der Wasseroberfläche von der einen zur anderen Seite des
Fleets führten. Damit war das Fleet - bis zur vorläufigen Instandsetzung der Ufermauer
Mitte 1963 - für Schiffe unpassierbar. Dies hatte zur Folge, daß das der Klägerin
gehörende MS "Christel" während der Zeit der Sperrung des Fleets dieses nicht
verlassen konnte und an der Verladestelle der Mühle festlag. Außerdem konnte die
Klägerin, die der Mühle gegenüber vertraglich gehalten war, Schiffsraum für Transporte
bereit zu stellen, mit drei Schuten nicht zur Mühle fahren. Die Klägerin beziffert den
ihr durch die Sperrung des Fleets entstandenen Verdienstausfall auf insgesamt 31.061,10
DM. Sie verlangt diesen Betrag von der Beklagten ersetzt.
Beider Vorinstanzen haben den Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt
erklärt. Die Revision der Beklagten führte zur teilweisen Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
I. ...
II. Das angefochtene Urteil hält nicht in allen Punkten einer rechtlichen Nachprüfung
stand:
1. Rechtlich zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß im Falle einer
schuldhaften Verletzung der der Beklagten obliegenden Unterhaltungspflicht durch deren
verfassungsmäßige Vertreter
§ 823 Abs 1,
§§ 89,
31 BGB als
Anspruchsgrundlage in Betracht kommen und nicht, wie die Revision meint, allenfalls
§ 839 BGB,
Art 34 GG.
Die Unterhaltungspflicht an einer Wasserstraße wird unabhängig davon, wer der Träger
dieser Pflicht ist, als eine öffentlich-rechtliche Verbindlichkeit angesehen (Wüsthoff,
Handbuch des Deutschen Wasserrechts, WHG § 29 Anm 1; Holtz/Kreutz/Schlegelberger,
Das Preußische Wassergesetz, 3. und 4. Aufl § 133 Anm 4). Im Streitfall ergibt sich
überdies der öffentlich-rechtliche Charakter der Unterhaltungspflicht aus § 80 Nds
WasserG. Das bedeutet jedoch nur, daß die Unterhaltungspflicht gegenüber der
Allgemeinheit zu erfüllen ist und ihre Erfüllung allein von der Aufsichtsbehörde im
Verwaltungswege erzwungen werden kann (Rehder, Niedersächsisches Wassergesetz, 3. Aufl
§ 80 Anm 1; Giesecke/Wiedemann, Wasserhaushaltsgesetz § 28 Rdnr 2; vgl auch
BGH VersR 1964, 534ff; 1967, 604). Hingegen folgt aus dem öffentlich-rechtlichen
Charakter der Unterhaltungspflicht nicht, wie die Revision meint, daß ihre Erfüllung in
den Fällen, in denen sie, wie vorliegend, der Bundesrepublik obliegt, zu den
Hoheitsaufgaben des Unterhaltungspflichtigen gehört. Das ist zwar nunmehr kraft
ausdrücklicher Gesetzesvorschrift (§ 7 Abs 1 BWasserStrG) der Fall. Im Zeitpunkt
des Einsturzes der Ufermauer und davor wurde jedoch die Unterhaltungspflicht unabhängig
von dem Träger der Pflicht überwiegend als ein Teil der Vermögensverwaltung des
Pflichtigen betrachtet, deren schuldhafte Verletzung Ansprüche nach
§ 823 Abs 1 BGB
begründet (BGH VersR 1964, 534ff; BGB-RGRK 11. Aufl § 89 Anm 5; Rehder aaO
§ 80 Anm 2; Giesecke/Wiedemann aaO; Holtz/Kreutz/Schlegelberger aaO).
2. Das Berufungsgericht leitet die Pflicht der Beklagten, das Fleet zu unterhalten,
für die Zeit bis zum 14. Juni 1960 aus den § 113, 114 PrWasserG und für die Zeit
danach aus den §§ 80, 81 des am 15. Juni 1960 in Kraft getretenen
Niedersächsischen Wassergesetzes her. Es meint, die Unterhaltungspflicht umfasse auch die
Ufermauer im Bereich der Einsturzstelle. Diese Auffassung stützt es für die hier in
erster Linie interessierende Zeit nach dem Inkrafttreten des Niedersächsischen
Wassergesetzes zunächst auf dessen § 81 Abs 2 Satz 1, der bestimmt, daß zur
Erhaltung des ordnungsmäßigen Zustandes eines Gewässers auch die Unterhaltung des
Gewässerbettes einschließlich der Ufer gehört. Weiter gründet es sie auf die in
§ 81 Abs 1 NdsWasserG enthaltene Regelung, wonach die Unterhaltungspflicht an einem
schiffbaren Gewässer auch die Pflicht umgreift, die Schiffbarkeit zu erhalten. Hierzu, so
führt das Berufungsgericht näher aus, gehöre auch die Verpflichtung, alle erkennbaren,
die Schiffahrt hindernden Zustände des Wasserlaufs, und zwar auch soweit diese von den
Ufern oder Uferanlagen ausgehen, zu beseitigen. Andernfalls wäre nicht sichergestellt,
daß die Schiffahrt die Wasserstraße überhaupt oder auch nur ungehindert benutzen
könne. Die Revision wendet sich gegen diese Ausführungen im Ergebnis ohne Erfolg.
Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung der Frage, ob die Beklagte vor dem
Inkrafttreten des Niedersächsischen Wassergesetzes verpflichtet war, die Ufermauer im
Bereich der Einsturzstelle zu unterhalten. Es kann weiter dahinstehen, ob den
§§ 80ff NdsWasserG allgemein die Pflicht zur Unterhaltung der Ufer durch den
Gewässerunterhaltungspflichtigen zu entnehmen ist, und zwar unabhängig davon, wie die
Ufer beschaffen oder gestaltet sind, in wessen Eigentum oder Besitz sie stehen oder
welchen Zwecken sie außer der Begrenzung des Gewässers dienen. Insbesondere kann offen
bleiben, ob § 89 NdsWasserG die gleiche Regelung wie § 120 Abs 5 PrWasserG
(vgl zu dieser Bestimmung PrOvG 96, 131, 136) enthält und, wie die Revision meint, die
Unterhaltung von Ufermauern grundsätzlich dem Nutzungsberechtigten und nicht dem
Gewässerunterhaltungspflichtigen auferlegt. Auf alle diese Fragen und die eingehenden
Erörterungen der Revision zu diesen Punkten kommt es im Streitfall nicht an. Denn unter
den gegebenen besonderen Umständen folgte jedenfalls aus der nach § 81 Abs 1
NdsWasserG (vgl auch § 28 Abs 1 Satz 1 WHG) bestehenden Verpflichtung der Beklagten,
die Schiffbarkeit des Fleets zu erhalten, auch die Pflicht, den drohenden Einsturz der
Ufermauer durch geeignete, vom Eigentümer des Hauses zumindest in sinngemäßer Anwendung
des § 95 Abs 1 und 2 NdsWasserG zu duldende Sicherungsmaßnahmen zu verhindern.
Das Fleet besitzt, wie im angefochtenen Urteil festgestellt ist, eine Breite von etwa 5
m. Das Fahrwasser reicht nach den Ausführungen in der Verfügung des Wasser- und
Schiffahrtsamts vom 4. Juni 1957 von Ufermauer zu Ufermauer. Das Fleet durfte bis zu dem
Mauereinsturz, wie zwischen den Parteien außer Streit steht, von Schiffen befahren
werden, deren Breite nahezu der Breite des Fahrwassers entsprach. Jeder Einsturz eines
Teils der Ufermauern mußte danach die Schiffbarkeit des Fleets zumindest
beeinträchtigen. Unter diesen besonderen Umständen umfaßte die Pflicht der Beklagten,
die Schiffbarkeit des Fleets zu erhalten, aber nicht nur, wie die Revision meint, die
Verpflichtung, nach Eintritt einer Beeinträchtigung oder nach Wegfall der Schiffbarkeit
des Fleets diese wiederherzustellen. Vielmehr ging diese Pflicht auch dahin, zumindest
jeder unmittelbaren Gefahr, die der Schiffbarkeit des Fleets von der Beschaffenheit der
Ufermauern drohte, durch geeignete Maßnahmen zu begegnen. Denn die Schiffbarkeit eines
Gewässers zu erhalten, bedeutet nicht nur, sie wiederherzustellen, sondern, wie das Wort
"erhalten" besagt, auch dafür zu sorgen, daß es möglichst zu keiner
Beeinträchtigung oder Beseitigung der Schiffbarkeit kommt. Daran, daß letzteres im
Streitfall technisch möglich war, kann, wie der weitere Verlauf zeigt, nicht gezweifelt
werden.
3. Gegen diese Pflicht haben, wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat, die
verfassungsmäßigen Vertreter der Beklagten dadurch schuldhaft verstoßen, daß sie in
Kenntnis des baufälligen Zustandes der Ufermauer und obwohl sie, wie bereits in der
Verfügung des Wasser- und Schiffahrtsamts vom 4. Juni 1957 zum Ausdruck kommt, jederzeit
mit einem Einsturz der Mauer rechnen mußten, über Jahre hinweg nichts unternommen haben,
um durch geeignete Sicherungsmaßnahmen den drohenden Einsturz der Mauer zu verhindern.
Wenn das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang allerdings meint, die Beklagte habe
derartige Maßnahmen "notfalls im Wege der Ersatzvornahme" durchführen müssen,
so unterscheidet es nicht hinreichend zwischen deren öffentlich-rechtlicher
Unterhaltungspflicht und etwaigen öffentlich-rechtlichen Befugnissen der Beklagten
gegenüber Dritten. Vorliegend handelt es sich aber nicht um die Durchsetzung derartiger
Befugnisse (vgl hierzu die vorerwähnte Verfügung des Wasser- und Schiffahrtsamts),
sondern um die Erfüllung einer der Beklagten selbst obliegenden Pflicht. Das beachtet
auch die Revision nicht.
Daß der schuldhafte Pflichtverstoß der verfassungsmäßigen Vertreter der Beklagten
für die Sperrung des Fleets (mit den der Klägerin daraus entstandenen Nachteilen)
adäquat kausal war, zieht die Revision zu Unrecht in Zweifel. Sicher war der unmittelbare
Anlaß für die Sperrung des Fleets die Verfügung der Stadt B. vom 22. Oktober 1962 und
die in Vollzug dieser Verfügung erfolgte Abstützung des Hauses F.straße 10. Beides war
aber nur eine adäquate Folge der vorangegangenen Pflichtwidrigkeit der
verfassungsmäßigen Vertreter der Beklagten. Denn daß das Unterlassen der Sicherung
einer baufälligen Ufermauer, auf der eine Außenwand eines Gebäudes ruht, unter den
gegebenen Umständen zu derartigen Folgen führen kann, liegt nicht außerhalb der
Lebenserfahrung.
Ob der weitere Vorwurf des Berufungsgerichts berechtigt ist, die Beklagte habe nach dem
Einsturz der Mauer unverzüglich durch deren Ausbesserung für ihre Standfestigkeit sorgen
und dadurch die alsbaldige Wiederaufnahme der Schiffahrt auf dem Fleet ermöglichen
müssen, kann dahinstehen. Denn für das Schadensersatzbegehren der Klägerin ist es ohne
Belang, ob die verfassungsmäßigen Vertreter der Beklagten die Sperrung des Fleets (mit
den der Klägerin daraus entstandenen Nachteilen) durch eine weitere Pflichtwidrigkeit
länger als notwendig schuldhaft verursacht haben.
4. Das Berufungsgericht verneint den Schutzgesetzcharakter (§ 823 Abs 2 BGB) der
Vorschriften über die Unterhaltungspflicht an einem Gewässer. Das ist rechtlich
zutreffend (BGH VersR 1967, 405, 406; RG HRR 1935 Nr 1068; vgl auch BGH VersR 1964,
534ff). Es hält die Beklagte aber deshalb für den der Klägerin durch die Sperrung des
Fleets entstandenen Schaden für ersatzpflichtig, weil in dem schuldhaft pflichtwidrigen
Verhalten ihrer verfassungsmäßigen Vertreter ein unzulässiger Eingriff in den
eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin zu sehen sei. Diese Auffassung
begegnet in ihrer Begründung, teilweise auch im Ergebnis, rechtlichen Bedenken.
a) Die Haftung aus einem Eingriff in das Recht an einem eingerichteten und ausgeübten
Gewerbebetrieb tritt wegen ihres subsidiären Charakters nur ein, wenn eine andere
Rechtsgrundlage nicht gegeben ist und der Zusammenhang der auf dem jeweiligen Rechtsgebiet
geltenden Normen ergibt, daß eine Lücke besteht, die mit Hilfe des
§ 823 Abs 1 BGB
geschlossen werden muß (BGHZ 38, 200, 204). Eine Prüfung des Streitfalls aus dieser
Sicht führt zu folgendem Ergebnis:
Hinsichtlich des MS "Christel" der Klägerin kommen Schadensersatzansprüche
wegen eines Eingriffs in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb
deshalb nicht in Betracht, weil insoweit eine die Beklagte zum Schadensersatz
verpflichtende Eigentumsverletzung vorliegt. Die Verletzung des Eigentums an einer Sache
kann nicht nur durch eine Beeinträchtigung der Sachsubstanz, sondern auch durch eine
sonstige die Eigentümerbefugnisse treffende tatsächliche Einwirkung auf die Sache
erfolgen (Soergel/Zeuner, BGB, 10. Aufl § 823 Rdnr 24; vgl auch BGB-RGRK, 11. Aufl
§ 823 Anm 15; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts II. Bd 9. Aufl S 407). Im Streitfall
ergibt sich eine Verletzung des Eigentums der Klägerin an MS "Christel" daraus,
daß das Schiff an der Verladestelle der Mühle wegen der Sperrung des Fleets liegen
bleiben mußte. Es verlor dadurch jede Bewegungsmöglichkeit über das zwischen der
Verladestelle und den als Sperre wirkenden Baumstämmen befindliche Fleetstück hinaus. Es
war damit als Transportmittel praktisch ausgeschaltet, seinem bestimmungsgemäßen
Gebrauch entzogen. Die "Einsperrung" des Schiffes stellte sich demnach als eine
die Eigentümerbefugnisse der Klägerin treffende tatsächliche Einwirkung auf dieses
Fahrzeug dar. Sie war mithin eine Eigentumsverletzung. Wenn das Reichsgericht in einem
ähnlichen Falle eine Eigentumsverletzung verneint hat (RG Gruchot 68, 76, 79), so ging es
im Gegensatz zu dem erkennenden Senat ersichtlich davon aus, daß eine Eigentumsverletzung
im Sinne des
§ 823 Abs 1 BGB nur bei einem Eingriff in die Sachsubstanz, nicht aber
bei sonstiger Einwirkung auf die Sache (vgl BGH WM 1967, 562, 563), vorliegt. Eine derart
enge Auslegung des
§ 823 Abs 1 BGB
wird aber dem Zweck dieser Vorschrift nicht
gerecht. Diese will die dort aufgeführten Rechte gegen jede schuldhaft widerrechtliche
Verletzung schützen. Die Beklagte, die für das pflichtwidrige schadensursächliche
Verhalten ihrer verfassungsmäßigen Vertreter verantwortlich ist (§§ 89,
31 BGB),
ist daher der Klägerin für den dieser aus der "Einsperrung" des MS
"Christel" entstandenen Schaden ersatzpflichtig (§ 823 Abs 1 BGB).
Insoweit kommt eine Haftung der Beklagten wegen eines schuldhaft rechtswidrigen Eingriffs
in das Recht der Klägerin am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nicht in
Betracht. Dabei bleibt offen, ob ein derartiger Eingriff überhaupt vorgelegen hat. Anders
verhält es sich hingegen hinsichtlich des von der Klägerin wegen der Nichtbefahrbarkeit
des Fleets für die Schuten geltend gemachten Schadensbetrages. Eine Eigentumsverletzung
seitens der Beklagten liegt insoweit deshalb nicht vor, weil die Schuten durch die
Sperrung des Fleets in ihrer Eigenschaft als Transportmittel nicht betroffen und damit
ihrem natürlichen Gebrauch nicht entzogen wurden. An dieser Beurteilung ändert sich
nichts dadurch, daß die Klägerin die Schuten während der Sperrung des Fleets nicht zur
Verladestelle der Mühle fahren lassen konnte. Darin ist kein Eingriff in das Eigentum an
den Schuten zu sehen, sondern eine Behinderung der Klägerin in der Ausübung des ihr wie
jedem Schiffahrttreibenden an dem Fleet zustehenden Gemeingebrauchs. Dieser stellt aber
kein "sonstiges Recht" im Sinne des
§ 823 Abs 1 BGB dar (RG Gruchot 68,
76, 78; KG JW 1938, 948; vgl auch RG SeuffArch 76 Nr 14 und Soergel/Zeuner aaO Rndnr 35).
b) Allein für den Schadensersatzanspruch der Klägerin aus der Nichtbefahrbarkeit des
Fleets für die Schuten kommt es demnach darauf an, ob in dem pflichtwidrigen Verhalten
der verfassungsmäßigen Vertreter der Beklagten ein unzulässiger Eingriff in den
eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin zu sehen ist. Dem
Berufungsgericht kann nicht beigetreten werden, wenn es diese Frage bejaht. Zwar meint die
Revision zu Unrecht, im Streitfall könne schon deshalb nicht von einer Verletzung des
Rechts der Klägerin am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb die Rede sein, weil
das Begehen einer derartigen Verletzung durch ein Unterlassen nicht möglich sei. Denn die
Verletzung der durch
§ 823 Abs 1 BGB geschützten Rechte oder Rechtsgüter kann auch
durch Unterlassung eines den Verletzungserfolg abwendenden Tuns begangen werden
(Soergel/Zeuner aaO Rdnr 102). Jedoch ist der Revision zuzugeben, daß die Ausführungen
des Berufungsgerichts zu der Frage, ob im Streitfall ein unmittelbarer Eingriff der
Beklagten in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin gegeben ist,
rechtlich jedenfalls insoweit nicht einwandfrei sind, als sie den vorliegend zur
Erörterung stehenden Schadensbetrag betreffen.
Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß nicht jede rechtswidrige und schuldhafte
Beeinträchtigung der gewerblichen Tätigkeit eines Dritten Schadensersatzansprüche nach
§ 823 Abs 1 BGB auslöst. Das ist vielmehr nur dann der Fall, wenn sie einen
unmittelbaren Eingriff in den Bereich des Gewerbebetriebes darstellt, also betriebsbezogen
ist und nicht vom Gewerbebetrieb ohne weiteres ablösbare Rechte oder Rechtsgüter
betrifft (BGHZ 29, 65, 74; vgl auch Hauß zu LM Nr 1 § 823 (Ai) BGB und zu Nr 10
§ 823 (Ac) BGB). Um einen derartigen, irgendwie gegen den Betrieb der Klägerin
gerichteten Eingriff handelt es sich vorliegend aber nicht. Die Schiffbarkeit einer
Wasserstraße gehört nicht zum Bereich des Gewerbebetriebes eines Schiffahrttreibenden.
Die zeitweilige, auch andere Schiffahrttreibende treffende Sperrung einer Wasserstraße
greift daher nicht in dessen Gewerbebetrieb ein. Wenn das Berufungsgericht im Streitfall
deshalb eine andere Beurteilung Platz greifen lassen will, weil die Klägerin das Fleet
mit ihren Fahrzeugen vor der Sperrung mehr als andere Schiffahrttreibende oder zeitweilig
nahezu allein benutzt und die Sperrung sie an der Einhaltung vertraglicher Bindungen
gegenüber der Mühle vorübergehend gehindert hat, so kann dem nicht gefolgt werden. Das
Bestehen derartiger Bindungen kann nicht dazu führen, die Schiffbarkeit einer von einem
Schiffahrttreibenden im Rahmen der Erfüllung vertraglicher Pflichten zu benutzenden
Wasserstraße als zum Bereich seines Gewerbebetriebes gehörend anzusehen. Die
gegenteilige Auffassung des Berufungsgerichts kann auch nicht der Umstand stützen, daß
die Fahrten der Schiffe der Klägerin für die Mühle im Zeitpunkt des Einsturzes der
Ufermauer einen wesentlichen Teil ihrer geschäftlichen Tätigkeit ausgemacht haben.
Darüber, was dem Bereich des Gewerbebetriebes eines Schiffahrttreibenden zuzurechnen ist,
kann nicht der schwerpunktmäßige, ausschließlich von den jeweiligen Frachtangeboten
Dritter abhängige Einsatz eines oder mehrerer Schiffe eines Schiffahrttreibenden auf
bestimmten Fahrwasserstrecken entscheiden. Es trifft deshalb nicht zu, wenn das
Berufungsgericht meint, im Streitfall liege ein zum Schadensersatz verpflichtender
Eingriff der Beklagten in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin
auch insoweit vor, als diese mit ihren Schuten das Fleet zeitweilig nicht befahren konnte.
Wollte man dieser Auffassung folgen, so würde das nur auf dem Umweg über das Recht am
eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zu einer Anerkennung des Gemeingebrauches
als eines "sonstigen Rechts" im Sinne des
§ 823 Abs 1 BGB führen.
5. Im Ergebnis ist damit dem angefochtenen Urteil nur insoweit beizutreten, als es den
Schadensersatzanspruch der Klägerin aus dem "Einsperren" des MS
"Christel" (24.096,-- DM) dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt hat.
Wegen des weitergehenden Klageanspruchs (6.965,10 DM) war die Klage hingegen abzuweisen.
Auf vergleichbarer Linie liegen die Entscheidungen in den Kabelfällen. Wird die
Nutzungsmöglichkeit von Produktionsanlagen dadurch beeinträchtigt, dass die
Energiezufuhr zu den Produktionsanlagen unterbrochen wird, so soll darin keine
Eigentumsverletzung liegen. Das Blatt wendet sich, wenn durch die Unterbrechung der
Energiezufuhr Substanzschäden zu beklagen sind.
Gericht: BGH 6. Zivilsenat, Datum: 09.12.1958, Az: VI ZR 199/57
Leitsatz
1. Die Unterbrechung der Stromzufuhr durch Beschädigung eines Stromkabels auf einem
nicht zum betroffenen Unternehmen gehörenden Grundstück ist im allgemeinen kein
betriebsbezogener Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.
1.1 Der Schutzbereich dieses Rechts erstreckt sich nicht auf die Schäden, die aus
einer solchen Stromunterbrechung und einem dadurch herbeigeführten zeitweiligen
Betriebsstillstand entstehen.
Fundstelle
BGHZ 29, 65 (LT1)
Tatbestand
Die Klägerin betreibt eine Fabrik. Im September 1955 hatte ein Baggerführer des
Beklagten, der als Tiefbauunternehmer tätig ist, auf dem Grundstück der Firma M.,
Graphische Betriebe, ein unterirdisch verlegtes, dem Elektrizitätswerk in H. gehörendes
Starkstromkabel, das von dort zum Werk der Klägerin führt, beschädigt. Am 18. Juni 1956
ließ der Beklagte auf dem gleichen Grundstück der Graphischen Betriebe M. durch einen
anderen Arbeiter mit einem Bagger eine Grube für einen Öltank ausgraben. Gegen 9.40 Uhr
wurde von dem Bagger das Starkstromkabel erneut und zwar etwa 60 m hinter der alten
Bruchstelle zerrissen; infolge der Stromunterbrechung lag der Betrieb der Klägerin bis
zum 19. Juni 1956, 6.30 Uhr, still.
Die Klägerin macht den Beklagten für den ihr durch die erneute Betriebsruhe
entstandenen Schaden verantwortlich. Sie ist der Ansicht, daß das Starkstromkabel, durch
das von der Schadensstelle ab außer den Graphischen Betrieben nur noch sie mit Strom
beliefert werde, wirtschaftlich einen Teil ihres Betriebes darstelle. Der Beklagte habe
durch die Kabelunterbrechung widerrechtlich und schuldhaft in ihren Gewerbebetrieb
eingegriffen; er habe es auch pflichtwidrig unterlassen, sich hinreichend über den
Kabelverlauf zu unterrichten, diesen äußerlich kenntlich zu machen, den für eine
derartige Erdarbeit erforderlichen zweiten Arbeiter zur Beobachtung abzustellen und den
Baggerführer hinreichend zu unterrichten und zu überwachen.
Der Beklagte hat den Anspruch bestritten. Er vertritt die Auffassung, durch den
Kabelbruch sei der Gewerbebetrieb der Klägerin nur mittelbar betroffen worden; jedoch
verpflichte nur ein unmittelbarer Eingriff in einen Gewerbebetrieb zum Schadensersatz. Bei
der Vorbereitung der Arbeit habe er ebenso wie bei der Auswahl des Baggerführers und bei
dessen Einweisung die erforderliche Sorgfalt beobachtet; eine persönliche Überwachung
der Baggerarbeiten sei ihm bei der Größe seines Geschäfts nicht zuzumuten gewesen. Das
Landgericht hat den Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die
Berufung des Beklagten blieb erfolglos. Seine Revision führte zur Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
1. Landgericht und Oberlandesgericht haben übereinstimmend die Schadensersatzpflicht
des Beklagten bejaht und angenommen, daß der Beklagte durch die Beschädigung des zum
Werk der Klägerin führenden Starkstromkabels und die dadurch herbeigeführte
Unterbrechung der Stromzufuhr in das Recht der Klägerin am eingerichteten und ausgeübten
Gewerbebetrieb widerrechtlich und schuldhaft eingegriffen habe. Das Oberlandesgericht hat
die Haftung des Beklagten aus
§ 823 Abs 1 BGB in Verb mit
§ 831 BGB, wobei es
den Entlastungsbeweis als nicht hinreichend erboten angesehen hat, sowie aus
§ 823 Abs 1 BGB allein wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht hergeleitet. Die Revision
wendet sich dagegen, daß die Kabelunterbrechung als Eingriff in den eingerichteten und
ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin gewertet worden ist.
Die Revision mußte im Ergebnis Erfolg haben.
a) Das Reichsgericht hat in ständiger Rechtsprechung das Recht an einem bestehenden
Gewerbebetrieb als ein "sonstiges Recht" im Sinne des
§ 823 Abs 1 BGB
anerkannt.
Bereits in RGZ 58, 24, 29 ist das Recht am eingerichteten und ausgeübten
Gewerbebetrieb als ein subjektives Recht angesehen worden, das unmittelbar verletzt werden
könne; Störungen und Beeinträchtigungen, welche sich unmittelbar gegen den
Gewerbebetrieb richteten, stellten danach eine unter
§ 823 Abs 1 BGB fallende
Rechtsverletzung dar. In der Folgezeit hat das Reichsgericht dem eingerichteten und
ausgeübten Gewerbebetrieb den Schutz des
§ 823 Abs 1 BGB zunächst nur dann
gewährt, wenn ein Eingriff in den Bestand des Gewerbebetriebes vorlag, also wenn der
Betrieb tatsächlich behindert, seine Unzulässigkeit behauptet oder seine Einschränkung
oder Einstellung verlangt wurde; gelegentlich hat es auch so formuliert, daß die
Grundlagen des Gewerbebetriebes unmittelbar angetastet sein müßten (RGZ 64, 52, 55; 64,
155, 156; 76, 35, 46; 95, 339, 340; 102, 223, 225; 109, 272, 276; 119, 435, 438; 126, 93,
96; 135, 242, 247). Nach dieser an Fragen des Wettbewerbs und Boykotts entwickelten
Rechtsprechung wurden Handlungen, die den Gewerbebetrieb nur mittelbar schädigten, nicht
als Rechtsverletzungen im Sinne des
§ 823 Abs 1 BGB erachtet, so wenn dem
Gewerbetreibenden nur ein wirtschaftlicher Gewinn entzogen wurde (RGZ 126, 93, 96), ferner
bei schädigenden Einwirkungen auf Lieferanten (RGZ 56, 271, 275), bei Beschränkung des
Kundenkreises (RGZ 79, 224, 226), schließlich wenn nur die Aussicht auf Erwerb
beeinträchtigt oder gestört wurde (RGZ 102, 223, 225; 119, 435, 438; 135, 242, 247).
Gewährt wurde der Schutz des
§ 823 Abs 1 BGB vor allem in solchen Fällen, in denen
die Einstellung der gewerblichen Tätigkeit eines anderen mit der Behauptung verlangt
wurde, die Tätigkeit verstoße gegen ein dem Untersagenden zustehendes gewerbliches
Schutzrecht (Gebrauchsmuster, Patent) und sich dann herausstellte, daß ein solches
Schutzrecht nicht bestand und die dahingehende Behauptung mindestens fahrlässig falsch
war (RGZ 58, 24; 94, 248; 141, 336); ferner zB bei einem Boykott, bei dem durch
Postenstehen vor der Tür und durch tätliche Einwirkung Besucher von dem Betreten einer
Gastwirtschaft abgehalten worden waren (RGZ 76, 35, 46).
Eine Lockerung der strengen Erfordernisse für den Schutz des Rechts am eingerichteten
und ausgeübten Gewerbebetrieb wurde in der späteren Rechtsprechung des II. Zivilsenats
des Reichsgerichts vollzogen. Ein Ansatz zeigte sich bereits in dem Urteil vom 7. Juni
1929 (MuW 1929, 378), durch welches die Bestimmung einer Ortskrankenkasse, daß für
gewisse wortgeschützte Arzneikörper keine Zahlung geleistet würde, als bewußte
Gefährdung des auf Herstellung der wortgeschützten Arzneimittel gerichteten
Gewerbebetriebes angesehen wurde, da die Bestimmung der Ortskrankenkasse bei voller
Auswirkung den Hersteller zu Betriebseinschränkungen zwänge. In dem Urteil vom 9.
Oktober 1934 (MuW 1935, 26, 30) ist der II. Zivilsenat eindeutig vom bloßen
Bestandsschutz abgerückt und hat ausgesprochen, daß für die Anwendbarkeit des
§ 823 Abs 1 BGB auf dem Gebiete des Warenzeichen- und Wettbewerbsrechts eine
schuldhafte Beeinträchtigung der gewerblichen Betätigung eines anderen zur Begründung
eines Schadensersatzanspruchs ausreiche, ohne daß auch ein "unmittelbar gegen den
Bestand des Geschäftsbetriebs gerichteter Eingriff" erforderlich sei. Diese
Auffassung hat der gleiche Senat in seiner Entscheidung vom 19. Dezember 1938 (JW 1938,
484 = RGZ 158, 377 (in den für die vorliegende Rechtsfrage maßgeblichen Teilen jedoch in
der Amtlichen Sammlung nicht abgedruckt)) bestätigt; es werde damit dem Gedanken Rechnung
getragen, daß jeder Unternehmer beanspruchen könne, vor widerrechtlichen Störungen
bewahrt zu bleiben, die sein Unternehmen nicht zur vollen, in der Gesamtheit seiner
Bestandteile und Betriebsmittel begründeten Entfaltung kommen ließen, auch wenn dadurch
der Bestand des Unternehmens selbst nicht in Frage gestellt sein möge (vgl RGZ 132, 311,
316; RG GRUR 1940, 375, 378; 1942, 364). Der II. Zivilsenat hat in RGZ 163, 21, 32 weiter
erwogen, ob das gleiche nicht auch außerhalb des Wettbewerbs- und Warenzeichenrechts zu
gelten habe. In seinem Urteil vom 3. Oktober 1941 GRUR 1942, 54 = DR 1942, 175
(auszugsweise)) hat sich der I. Zivilsenat des Reichsgerichts der Ansicht des II.
Zivilsenats, daß ein unmittelbar gegen den Bestand des Betriebes gerichteter Angriff für
eine Anwendung des
§ 823 Abs 1 BGB bei schuldhafter Beeinträchtigung der
gewerblichen Betätigung eines anderen nicht erforderlich sei, ausdrücklich angeschlossen
(anders noch der V. Zivilsenat des Reichsgerichts in DR 1940, 723).
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird der Schutz des
§ 823 Abs 1
BGB gegen jede Beeinträchtigung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten
Gewerbebetrieb, wenn sie einen unmittelbaren Eingriff in den gewerblichen Tätigkeitskreis
darstellt, gewährt, und zwar auch außerhalb des Gebietes des Wettbewerbs und der
gewerblichen Schutzrechte (BGHZ 3, 270; 8, 142; 8, 387; 24, 200; vgl auch BGHZ 23, 157).
In der vorgenannten Entscheidung BGHZ 3, 270, 279 ist ausgeführt, daß das Recht am
bestehenden Gewerbebetrieb - ebenso wie das Eigentum - durch
§ 823 Abs 1 BGB nicht
nur in seinem eigentlichen Bestand, sondern auch in seinen einzelnen Erscheinungsformen,
wozu der gesamte gewerbliche Tätigkeitskreis zu rechnen sei, vor unmittelbaren Störungen
bewahrt bleiben müsse. Hieran ist festzuhalten.
b) Durch die von der Rechtsprechung vorgenommene Einordnung des Rechts am bestehenden
Gewerbebetrieb in den Kreis der "sonstigen Rechte" des
§ 823 Abs 1 BGB ist
dieses Recht den dort ausdrücklich aufgeführten Rechtsgütern und Rechten Leben,
Körper, Gesundheit, Freiheit und Eigentum hinsichtlich seines Schutzes gleichgestellt.
Deshalb ist auch bei einer Verletzung des Rechts am bestehenden Gewerbebetrieb zu prüfen,
ob die Tatfolgen, für die Ersatz begehrt wird, in den Schutzbereich des Gesetzes fallen
(Urteil des erkennenden Senats = BGHZ 27, 137). Allerdings kann, soweit der Schutz des
eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes in Frage steht, nicht wie im vorgenannten
grundlegenden Urteil des Senats zum Problem der Haftungsbegrenzung gefragt werden, ob der
geltendgemachte Schaden aus der Verletzung eines Rechtsgutes entstanden ist, zu dessen
Schutz das Gesetz erlassen worden ist. Denn der Gesetzgeber hatte bei der Fassung des
§ 823 Abs 1 BGB den Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes noch
nicht ins Auge gefaßt. Die Frage der Haftungsbegrenzung ist deshalb vorliegend in der
Richtung aufzuwerfen und zu entscheiden, was eigentlich der Gegenstand des dem
eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb durch die Rechtsprechung zuerkannten
Rechtsschutzes ist.
Unter dem Begriff des Gewerbebetriebes im Sinne des
§ 823 Abs 1 BGB ist alles das
zu verstehen, was in seiner Gesamtheit den Gewerbebetrieb zur Entfaltung und Betätigung
in der Wirtschaft befähigt, also nicht nur Betriebsräume und -grundstücke, Maschinen
und Gerätschaften, Einrichtungsgegenstände und Warenvorräte, sondern auch
Geschäftsverbindungen, Kundenkreis und Außenstände. Durch den dem eingerichteten und
ausgeübten Gewerbebetrieb von der Rechtsprechung gewährten und nach und nach erweiterten
Schutz soll das Unternehmen in seiner wirtschaftlichen Tätigkeit, in seinem Funktionieren
vor widerrechtlichen Eingriffen bewahrt bleiben. Wenn auch in BGHZ 23, 157, 163 selbst die
jeweilige Situation, in der ein Gewerbe betrieben wird, als für den Umfang des
gewerblichen Tätigkeitskreises bestimmend angesehen worden ist, so handelt es sich in
allen Fällen, in denen der Bundesgerichtshof die Verletzung des Rechts am eingerichteten
und ausgeübten Gewerbebetrieb bejaht hat, um den Schutz solcher Erscheinungsformen des
Gewerbebetriebes, die ihm spezifisch und als solchem eigen sind. Geschützt werden soll
der Gewerbebetrieb in seinem Bestande und in seinen Ausstrahlungen, soweit es sich um
gerade dem Gewerbebetrieb in seiner wirtschaftlichen und wirtschaftenden Tätigkeit
wesensgemäße und eigentümliche Erscheinungsformen und Beziehungen handelt.
c) Nach wie vor aber ist, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, ein
unmittelbarer Eingriff in den Bereich des Gewerbebetriebes als Voraussetzung für eine
Anwendbarkeit des § 823 Abs 1 BGB zu fordern (RGZ 163, 21, 32; BGHZ 8, 387, 394; 15,
338, 349; 23, 157; BGH LM BGB § 823 (Da) Nr 4). Zu Unrecht beruft sich demgegenüber
die Klägerin auf die Entscheidungen des Reichsgerichts in RGZ 132, 311, 316 und DR 1942,
175; in diesen ist lediglich der bloße Bestandsschutz des Rechts am eingerichteten und
ausgeübten Gewerbebetrieb als zu eng und jede schuldhafte Beeinträchtigung der
gewerblichen Betätigung eines anderen für die Anwendbarkeit des
§ 823 Abs 1 BGB
als ausreichend erachtet worden; das Erfordernis der Unmittelbarkeit des Eingriffs aber
wurde nicht angetastet. Es ist freilich richtig, daß, wie das Berufungsgericht
ausgeführt hat, der Begriff des "unmittelbaren Eingriffs" in der Rechtsprechung
nicht definiert worden ist. Baumbach/Hefermehl (Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, 7.
Aufl 1955, Allg Ziff 53 (S 33)) weisen zutreffend darauf hin, daß die
Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen unmittelbaren und mittelbaren Eingriffen bei dem
komplexen Rechtsbegriff des Unternehmens besonders groß sind. Aus der rein sprachlichen
Unterscheidung zwischen "unmittelbar" und "mittelbar" können entgegen
der Ansicht der Revision die Merkmale für die erforderliche Begriffsabgrenzung nicht
gewonnen werden. Die Frage der Unmittelbarkeit eines Eingriffs in das Recht am
eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb kann auch nicht nur aus der
Kausalitätslehre beantwortet werden, und es kommt auch auf das Fehlen sogenannter
Zwischenursachen nicht entscheidend an, wie das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit
der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ausgeführt hat (BGHZ 3, 270; 8, 142; 23, 157;
abw RGZ 163, 21, 32, wo auf die Unmittelbarkeit des Kausalzusammenhangs abgestellt worden
ist, desgl OLG München vom 21. März 1956 NJW 1956, 1719). Auch der Vorschlag von Larenz
NJW 1956, 1719) in seiner Anmerkung zum vorgenannten Urteil des Oberlandesgerichts
München - auf das sich beide Parteien für ihren Rechtsstandpunkt berufen -, die
Unmittelbarkeit des Eingriffs teleologisch, also im Sinne einer Zweckbezogenheit der
Eingriffshandlung auf eine Einschränkung der gewerblichen Tätigkeit aufzufassen, so daß
sich die Richtung auf eine Schädigung des Gewerbebetriebes aus ihrer Zweckbestimmung
ergäbe, vermag zu einer hinreichend bestimmten Abgrenzung zwischen unmittelbaren und
mittelbaren Eingriffen nicht zu führen. Wenn Larenz als "unmittelbar" jeden
Eingriff in den Gewerbebetrieb ansehen will, der dessen Einschränkung oder
Beeinträchtigung entweder zum Zwecke hatte oder mindestens, unter den gegebenen
Umständen, zum Zwecke haben konnte, so werden sogleich die Schwierigkeiten im Falle
fahrlässigen Handelns des Eingreifenden offenbar. Dennoch kann Baumbach/Hefermehl (aaO)
nicht darin beigepflichtet werden, daß wegen der bestehenden Abgrenzungsschwierigkeiten
das Erfordernis der Unmittelbarkeit des Eingriffs aufgegeben werden und statt dessen die
Wirkung des Eingriffs auf den Tätigkeitsbereich entscheiden sollte (für die Beibehaltung
des Unmittelbarkeitserfordernisses: Enneccerus/Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse, 15.
Bearb 1958, § 234 I 1b (S 940); Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, II. Bd 2. Aufl
1957,§ 66 Id (S 339); Kleine, JZ 1952, 229).
Das Berufungsgericht meint unter Berufung auf das Urteil des erkennenden Senats vom 14.
April 1954 (LM BGB § 823 (Da) Nr 4), der Begriff der Unmittelbarkeit sei zielbezogen
aufzufassen. Daraus ergebe sich für vorsätzliche Handlungen eine brauchbare Abgrenzung;
bei fahrlässig begangenen Eingriffen in den Gewerbebetrieb sei es ausreichend, wenn die
Handlung die Beeinträchtigung des Gewerbebetriebes unter den gegebenen Umständen zum
Ziel gehabt haben könne und der Handelnde diese Richtung seines Tuns in seine Vorstellung
aufgenommen, aber darauf vertraut habe, daß der Erfolg nicht eintrete.
Diese Voraussetzungen eines fahrlässigen, zum Schadensersatz verpflichtenden Eingriffs
hält das Berufungsgericht im vorliegenden Falle für gegeben. Der erkennende Senat hat in
der genannten Entscheidung ausgesprochen, daß ein Angriff, der eine Verletzung des Rechts
am Gewerbebetriebe darstelle, irgendwie gegen den Betrieb als solchen gerichtet sein
müsse. Deshalb hat der Senat allein darin, daß ein unbegründeter Rückerstattungsantrag
auf Rückgabe eines mit einem Gewerbebetrieb verbundenen Grundstücks die treuhänderische
Verwaltung des Grundstücks gemäß MilRegG 52 zur Folge hatte, noch keinen
widerrechtlichen Eingriff des Rückerstattungsklägers in den Gewerbebetrieb erblickt;
denn der Angriff richtete sich gegen die Person des Inhabers, nicht aber gegen den
Gewerbebetrieb selbst, mögen auch dadurch mittelbar Schäden in dem Gewerbebetrieb
hervorgerufen worden sein.
Ebensowenig liegt ein unmittelbarer Eingriff in den gewerblichen Tätigkeitskreis vor,
wenn einem Betriebe durch Verletzung von Personen das zu seiner Fortführung
unentbehrliche Personal entzogen wird (BGHZ 7, 30, 36). Diese Entscheidungen, nach denen
zu fordern ist, daß ein unter
§ 823 Abs 1 BGB fallender Angriff gegen den
Gewerbebetrieb selbst gerichtet sein muß, zeigen die Grundhaltung der herrschenden
Rechtsprechung auf, eine übermäßige Ausweitung des Schutzes des Rechts am
eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zu vermeiden, die dem deutschen Rechtssystem
der in kasuistischer Art geregelten Deliktstatbestände zuwider laufen würde. So fehlt es
denn auch nicht an Stimmen in der Rechtsprechung und Literatur, die zu der älteren
Auffassung des Reichsgerichts zurückkehren möchten, wonach nur diejenige
Beeinträchtigung eines Gewerbebetriebes, die dessen Bestand berührt, als Angriff auf ein
absolutes Recht gelten soll (OLG Freiburg JZ 1952, 231; erwägend OLG Köln MDR 1953, 617;
Gramm in Palandt, 17. Aufl 1958, § 823 BGB Anm 6g, der ausführt, es würden sonst
dem § 823 BGB Aufgaben zugewiesen, für die er nicht geschaffen sei).
Diese Stellungnahmen werden ersichtlich von der Sorge getragen, daß, wie Lehmann (MDR
1952, 297) meint, die Anerkennung eines zu weit gehenden generellen Schutzes des
Gewerbebetriebes leicht zu einer Normenerschleichung führen könne. Sicherlich ist
dadurch, daß nach der späteren Auffassung des Reichsgerichts und der ständigen
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jeder widerrechtliche unmittelbare Eingriff in den
gewerblichen Tätigkeitskreis eine Verletzung des durch
§ 823 Abs 1 BGB geschützten
Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstellt, mag sich der Angriff
auch nicht gegen den Bestand desselben, sondern gegen eine seiner Erscheinungsformen
richten, der Rechtsschutz gegenüber dem zunächst nur gewährten Bestandsschutz des
Gewerbebetriebes erweitert worden. Damit ist aber nicht etwa auf dem Umwege über den
Schutz des Gewerbebetriebes ein Schutz von Forderungsrechten eingeführt worden, die im
Gegensatz zu den absoluten Rechten nur bestimmte Personen binden und deshalb nicht unter
den Begriff der "sonstigen Rechte" im Sinne des
§ 823 Abs 1 BGB fallen
(RGZ 82, 189; 95, 283; 111, 298, 302), oder ein Schutz des Vermögens, das als solches nur
unter besonderen Voraussetzungen Deliktsschutz genießt (zB über § 826 BGB); beides
wäre unserem geltenden Rechtssystem fremd.
Auch die bei der Frage der Widerrechtlichkeit erforderliche sorgfältige Untersuchung,
ob unter Anwendung des Prinzips der Güter- und Pflichtenabwägung dem Eingreifenden etwa
ein besonderer Rechtfertigungsgrund zur Seite steht (BGHZ 3, 270; 8, 142; 24, 200), wirkt
sich einschränkend aus. Im übrigen sind der Umfang und die Grenzen, innerhalb derer das
Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zu schätzen ist, gerade durch eine
sachgemäße Ausfüllung des Begriffs der "Unmittelbarkeit" des Eingriffs zu
ermitteln.
Unmittelbare Eingriffe in das Recht am bestehenden Gewerbebetrieb, gegen welche
§ 823 Abs 1 BGB Schutz gewährt, sind nur diejenigen, die irgendwie gegen den
Betrieb als solchen gerichtet, also betriebsbezogen sind und nicht vom Gewerbebetrieb ohne
weiteres ablösbare Rechte oder Rechtsgüter betreffen. Alle Fälle, in denen
höchstrichterlich eine Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten
Gewerbebetrieb bejaht worden ist, hatten auch solche betriebsbezogenen Eingriffe zum
Gegenstand. Ebensowenig wie etwa die Verletzung eines Angestellten oder die Beschädigung
oder Zerstörung eines Betriebskraftwagens steht aber die Unterbrechung des zum
Unternehmen der Klägerin führenden Stromkabels durch den Beklagten bzw seinen
Baggerführer in Beziehung gerade zum Gewerbebetrieb der Klägerin; denn der Baggerführer
des Beklagten hat ein Stromkabel beschädigt, das zwar außer den Graphischen Betrieben M.
gleichsam zufälligerweise nur noch den Betrieb der Klägerin mit Strom versorgte, genau
so gut aber für die Stromlieferung an andere Abnehmer hätte bestimmt sein können. Die
Lieferung elektrischen Stroms über ein Kabel und der Anspruch darauf ist zudem keine dem
eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb wesenseigentümliche Eigenheit, sondern eine
auf der Energielieferungspflicht der Versorgungsunternehmen beruhende Beziehung, die
derjenigen gleichartig ist, die auch die anderen Stromabnehmer, wie zB die Haushaltungen
und die Angehörigen freier Berufe, mit dem Elektrizitätswerk verbindet. Die
Beschädigung eines Kabels mit der Folge der Unterbrechung der Stromzufuhr auf einem nicht
zum betroffenen Unternehmen gehörenden Grundstück kann ohne besondere, hier nicht in
Betracht kommende Umstände sonach nicht als betriebsbezogener Eingriff in den
Tätigkeitskreis dieses Gewerbebetriebes angesehen werden. Wenn durch den Bagger des
Beklagten das zum Werk der Klägerin führende Starkstromkabel zerrissen wurde, brachte
dies zwar eine Beeinträchtigung der sachlich-technischen Grundlagen mit sich, vermittels
welcher der Klägerin durch das Elektrizitätswerk elektrische Energie entsprechend dem
zwischen ihnen bestehenden schuldrechtlichen Vertrag zugeführt werden konnte und
zugeführt wurde. Aber darin ist kein Eingriff in das Recht der Klägerin am
eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zu finden, weil dies über den dem
Gewerbebetrieb von der Rechtsprechung zuerkannten Schutzbereich hinausginge; vielmehr
handelt es sich um eine Verletzung des Eigentums des Elektrizitätswerks am Kabel sowie
des durch dessen Geschäftsbedingungen eingeschränkten Stromlieferungsanspruchs der
Klägerin gegen das Elektrizitätswerk.
Kann demnach ein Schadensersatzanspruch der Klägerin nicht aus Verletzung des Rechts
am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb hergeleitet werden, so kommt ein solcher
- entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - auch nicht wegen Verletzung einer dem
Beklagten obliegenden Verkehrssicherungspflicht in Betracht. Denn die schuldhafte
Unterlassung der Verkehrssicherung löst nur dann einen Schadensersatzanspruch aus, wenn
ein anderer dadurch in seinen nach
§ 823 Abs 1 BGB geschützten Rechtsgütern oder
Rechten beeinträchtigt wird. Die Klägerin hat aber, selbst wenn der Beklagte die ihm
obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt hätte, was dahingestellt bleiben kann,
einen Schaden nicht an den nach
§ 823 Abs 1 BGB geschützten Rechtsgütern und
absoluten Rechten, sondern an ihrem Vermögen erlitten.
Wird nicht nur die Funktionstüchtigkeit einer Anlage betroffen, sondern werden Güter
in ihrer Substanz verletzt, dann hat man es mit einer Beeinträchtigung des Eigentums zu
tun:
Gericht: BGH 6. Zivilsenat, Datum: 04.02.1964, Az: VI ZR 25/63
Leitsatz
Wer fahrlässig eine Freileitung des Elektrizitätswerks durchtrennt, haftet einem
angeschlossenen Abnehmer für den Schaden, den dieser dadurch erleidet, daß auf
ununterbrochene Stromzufuhr angewiesene Sachen (hier: Eier in einem elektrischen
Brutapparat) verderben.
Fundstelle
BGHZ 41, 123 (LT1)
Tatbestand
Die Erstbeklagte verbreiterte im März 1960 in behördlichem Auftrag die
Provinzialstraße zwischen K. und M. Am 14. März 1960 ließ sie durch eine Arbeitsgruppe
unter der Leitung des Zweitbeklagten, ihres damaligen Vorarbeiters, Straßenbäume
fällen. Einer von ihnen stürzte gegen 13.30 Uhr auf eine elektrische Freileitung des
Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerks (RWE) unmittelbar am Grundstück des
Klägers, auf dem dieser eine Geflügelzucht betreibt. Dadurch fiel ua der Strom für den
Betrieb des mit Eiern beschickten Brutapparats aus.
Der Kläger hat behauptet, die Stromunterbrechung habe sechs Stunden gedauert. Dadurch
seien aus 3.600 Eiern statt der zu erwartenden 3.000 Küken nur einige verkrüppelte,
unverkäufliche Tiere geschlüpft. Der Schaden betrage bei einem Verkaufspreis von 0,60 DM
je Küken 1.800 DM; hinzu seien 75 DM für nutzlos aufgewandten Strom zu rechnen. Der
Kläger hat Ersatz dieses Verlustes nebst Zinsen verlangt.
Die Beklagten haben in rechtlicher Hinsicht ausgeführt, das Ereignis habe das Eigentum
oder den Gewerbebetrieb des Klägers nicht unmittelbar geschädigt; für seinen allenfalls
als weitere Folge des Unfalls eingetretenen Verlust könne er nach den Bestimmungen über
unerlaubte Handlungen keinen Ersatz verlangen. Das Landgericht hat die Klage der
verlangten 75 DM für Stromkosten abgewiesen und den Klageanspruch im übrigen dem Grunde
nach für gerechtfertigt erklärt. Beide Beklagten haben Berufung mit dem Ziel der vollen
Klageabweisung eingelegt. Das Oberlandesgericht hat vorab die Berufung des Zweitbeklagten
als unbegründet zurückgewiesen. Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des
Zweitbeklagten hatte keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe
Das Berufungsgericht hat die Haftung des Zweitbeklagten in dem noch streitigen Umfang
bejaht, weil das unsachgemäße Fällen des Baumes unmittelbar zu einer Verletzung des
Eigentums des Klägers geführt habe (§ 823 Abs 1 BGB). Unter diesen Umständen, so
hat das Berufungsgericht dargelegt, stelle sich die Frage nach den Haftungsgrenzen im
Hinblick auf den Schutzzweck der Vorschrift und den Kreis der Ersatzberechtigten nicht,
wie sich auch die Prüfung erübrige, ob zugleich ein unzulässiger Eingriff in den
eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Klägers vorliege.
Hiergegen greifen die Rügen der Revision nicht durch.
Für die Verletzung einer Person oder Sache wird nach
§ 823 Abs 1 BGB unabhängig
davon gehaftet, ob die gesetzte Ursache den Schaden unvermittelt oder erst nach ihrer
Fortpflanzung durch eine Ursachenkette hervorruft. Wer auf ein Kraftfahrzeug auffährt,
das dadurch seinerseits auf einen vorausfahrenden Wagen prallt, hat für die Schäden an
beiden Fahrzeugen einzutreten; beide Eigentümer sind unmittelbar Geschädigte. Davon sind
die Fälle zu unterscheiden, in denen die Verletzung des unmittelbaren Geschädigten
Auswirkungen auf den Rechtskreis eines Dritten hat (so wenn dieser auf die Dienste des
Verletzten verzichten muß); solche Drittschäden sind in der Regel nicht zu ersetzen. Die
Revision verkennt diese Unterscheidung nicht, ist jedoch der Auffassung, daß hier ein
Fall der zweiten Gruppe vorliege, dh daß nur das Elektrizitätswerk unmittelbar einen
Schaden (an der ihm gehörenden Leitung) erlitten habe, während der Kläger lediglich ein
(infolge des Stromausfalls) mittelbar geschädigter Dritter sei.
Dieser Ansicht kann nicht beigetreten werden.
Daß es für die Haftung des Schädigers bedeutungslos ist, ob die Eigentumsverletzung
unvermittelt oder im Wege einer "Kettenreaktion" bewirkt worden ist, gilt -
eingeschränkt durch den Gesichtspunkt der Adäquanz - auch dann, wenn es nur an einer
besonderen Beschaffenheit der zunächst betroffenen Sache liegt, daß weitere Gegenstände
in Mitleidenschaft gezogen werden. Wer schuldhaft den Bruch eines Wasserrohrs verursacht,
muß auch für die Schäden eintreten, die weiteres Eigentum durch das ausströmende
Wasser erleidet. Entsprechendes gilt von der Beschädigung sonstiger Versorgungsleitungen,
wenn sie etwa zum Austritt von Öl, Gas oder auch elektrischem Strom führt. Hätte im
vorliegenden Fall der stürzende Baum stromführende Drähte herabgerissen und in solcher
Weise in Verbindung mit dem Eigentum des Klägers gebracht, daß dieses durch den
fehlgeleiteten Starkstrom vernichtet worden wäre, so läge eine zum Schadensersatz
verpflichtende Einwirkung auf das Eigentum vor. Der Kläger wäre unmittelbar
Geschädigter ohne Rücksicht darauf, daß der stürzende Baum nicht schon durch seinen
Fall, sondern erst durch Vermittlung der hergestellten elektrischen Verbindung den
Untergang der Sachen bewirkt hätte. Die Haftung für die Beschädigung von
Versorgungsleitungen beschränkt sich also nicht etwa von vornherein auf die Kosten ihrer
Wiederherstellung.
Die Besonderheit des vorliegenden Falles liegt nur darin, daß das Eigentum des
Klägers nicht durch die fehlerhafte Zuleitung, sondern durch die Unterbrechung des
elektrischen Stromes beschädigt worden ist. Das rechtfertigt jedoch keine abweichende
Beurteilung. Bedarf eine Sache zur Erhaltung ihrer Substanz der ständigen Zufuhr von
Wasser, Strom oder dergl, so bewirkt (im Rechtssinne) auch derjenige ihre Zerstörung, der
sie durch Abschneiden dieser Zufuhr vernichtet. Wer die Bewässerungsanlagen einer
Gartenkultur, die Heizung eines Treibhauses schuldhaft außer Betrieb setzt, haftet
deshalb für den an den Pflanzen entstehenden Schaden, gleichviel in wessen Eigentum sie
stehen. Nicht anders ist es bei der Unterbrechung der Stromzufuhr, wenn auf deren
Stetigkeit angewiesene Sachen dadurch untergehen. Hierzu gehören vor allem Erzeugnisse,
die einer elektrisch konstant gehaltenen Temperatur (Wärme oder Kühlung) bedürfen, um
nicht zu verderben. Wird dieser Verderb durch eine schuldhafte Durchtrennung der
Stromkabel herbeigeführt und sinkt oder entfällt dadurch der Verkaufswert der Produkte,
so ist dieser Vermögensverlust lediglich ein aus der Eigentumsverletzung hervorgehender
Folgeschaden, der im Rahmen von
§ 823 Abs 1 BGB zu ersetzen ist.
Anders liegt es, wenn der Stromausfall nicht den Untergang von Sachen bewirkt, sondern
nur dazu führt, daß die Fertigung bestimmter Erzeugnisse vorübergehend unterbrochen
wird. Insoweit handelt es sich um einen reinen Vermögensschaden. Sein Ersatz kann auch
nicht aus dem Gesichtspunkt des unzulässigen Eingriffs in einen eingerichteten und
ausgeübten Gewerbebetrieb gefordert werden, weil die Durchtrennung des Kabels zumindest
in aller Regel keinen unmittelbaren, dh betriebsbezogenen Angriff auf das Unternehmen
darstellt (BGHZ 29, 65). Ob im Einzelfall aus der Verletzung landesrechtlicher
Bauordnungen in Verbindung mit
§ 823 Abs 2 BGB Schadensersatzansprüche hergeleitet
werden könnten (so Tegethoff, BB 1964, 19, 21), braucht nicht erörtert zu werden. Von
allenfalls denkbaren Ausnahmen abgesehen, ist die Produktionsunterbrechung ein nicht
ersatzfähiger Vermögensschaden eines lediglich mittelbar geschädigten Dritten, der
deshalb Ausfälle erleidet, weil das unmittelbar geschädigte Elektrizitätswerk die
vertraglich zugesagte Stromlieferung vorübergehend nicht erbringen kann.
Dieser letzten Fallgruppe hat das Berufungsgericht den vorliegenden Sachverhalt mit
Recht nicht zugeordnet. Die Produktion ist hier nicht bloß unterbrochen worden, dh sie
konnte nicht nach der Wiederherstellung der Stromzufuhr am alten Punkte wieder aufgenommen
und - wenn auch nach Zeitverlust - zu Ende geführt werden. Die angebrüteten Eier waren
vielmehr inzwischen, wie unstreitig ist, endgültig vernichtet oder zumindest schwer
geschädigt. Darin hat das Berufungsgericht rechtlich zutreffend eine Eigentumsverletzung
erblickt, durch die der Kläger unmittelbar betroffen worden ist.
Es geht auch nicht über den Schutzzweck von
§ 823 Abs 1 BGB hinaus, dem
Zweitbeklagten die Haftung für einen Schaden der eingetretenen Art aufzuerlegen. Das
durch die Schadensersatzpflicht ausgedrückte Gebot, fremdes Eigentum nicht zu
beschädigen, bezweckt bei Einrichtungen von weittragender Bedeutung nicht nur den Schutz
ihrer Substanz, sondern auch ihrer Funktion. Daß Dämme, Signalanlagen,
Versorgungsleitungen nicht zerstört werden dürfen, hat nicht nur den Sinn, ihren
Eigentümern den Aufwand der Wiederherstellung zu ersparen. Das Verbot der Beschädigung
will vielmehr auch und gerade Schutz vor dem Eintritt der typischen Folgen bieten. Aus der
ständig steigenden und immer empfindlicher werdenden Abhängigkeit der Allgemeinheit von
der Energieversorgung erwächst für jedermann die Pflicht, die Freileitungen und Kabel
nicht nur als Gegenstände, sondern ganz besonders im Hinblick auf ihre Bedeutung in Acht
zu nehmen. Die Sanktion dieser Pflicht durch uU weitgehende Verbindlichkeiten zum
Schadensersatz ist
§ 823 Abs 1 BGB durchaus zu entnehmen; Schäden der eingetretenen
Art bewegen sich nicht außerhalb des Rechtswidrigkeitszusammenhangs.
Dementsprechend hat das Berufungsgericht auch die allgemeine Voraussehbarkeit des
Schadens mit Recht bejaht. Wer eine elektrische Freileitung durchtrennt, weiß nicht nur,
daß er damit mehr als ein Stück Drahtseil zerstört, sondern bei durchschnittlicher
Lebenskenntnis auch, daß an das unterbrochene Netz wahrscheinlich zahlreiche Anlagen zur
Konservierung von Sachen angeschlossen sind, die bei längerem Stromausfall verderben
könnten. Von Tiefkühltruhen und elektrischen Backöfen ist dies allgemein bekannt. Daß
sich der Zweitbeklagte gerade die Schädigung keimender Küken in einem Brutapparat hätte
vorstellen können, dh daß er auch den speziellen Schadensverlauf vorherzusehen
vermochte, ist zu r Bejahung seines Verschuldens nicht erforderlich.
Entgegen der Meinung der Revision muß der Kläger nicht einen Teil seines Schadens
selbst tragen, weil er kein Notstromaggregat bereitgehalten hat. Ob der Kläger eine
solche verhältnismäßig kostspielige Anlage im Hinblick darauf anschaffen wollte, daß
sich die Elektrizitätswerke regelmäßig von der Haftung für betrieblich bedingte
Stromunterbrechungen freizeichnen, stand bei ihm und brauchte sich nur nach seinen
wirtschaftlichen Erwägungen zu richten. Keinesfalls war der Kläger gehalten, diese
Anschaffung zur Entlastung Dritter zu machen, die möglicherweise störend in die
Stromversorgung eingreifen könnten.
Sowohl im Fleet-Fall wie in den Kabel-Fällen begegnet uns ein für den
Vermögensschutz in
§ 823 Abs. 1 BGB außerordentlich bedeutsames Recht: das
Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Es ist von der Rechtsprechung als
sonstiges Recht i.S. des
§ 823 Abs. 1 BGB schon vom Reichsgericht
entwickelt worden. Bevor wir uns allerdings dieser den Rahmen des
§ 823 Abs. 1
BGB sprengenden Entwicklung zuwenden, wollen wir zunächst einige andere Fragen aus dem
Bereich des sonstigen Rechts in
§ 823 Abs. 1 BGB ansprechen.
Sonstiges Recht
Was sollte nach den Vorstellungen des Gesetzgebers diese sonstigen Rechte auszeichnen?
Sie sollten eigentumsähnlich sein, d.h., dem Berechtigten in einer dem Eigentümer
vergleichbaren Weise ein gegen jedermann wirkendes Ausschließlichkeitsrecht zuweisen. Das
gilt unzweifelhaft für alle dinglichen Rechte an Sachen, die vom Eigentumsrecht
abgespalten sind: Pfandrecht, Nießbrauch, Dienstbarkeit, Anwartschaftsrecht.
Unzweifelhaft gilt das auch für die Rechte auf wirtschaftliche Verwertung kreativer
geistiger Leistungen, die man mit dem Schlagwort "Geistiges Eigentum" belegt. Es
handelt sich um Urheberrecht, Patentrecht, Warenzeichenrecht, Geschmacksmusterrecht,
Gebrauchsmusterrecht.
Problematisch wird die Sache beim Besitz. Der Besitz ist nicht die rechtliche, sondern
die tatsächliche Sachherrschaft. Sicher genießt nicht jede tatsächliche Sachherrschaft
den Schutz, der zu Schadensersatzansprüchen führen könnte. Das darf man nur für die
tatsächliche Sachherrschaft annehmen, der ein Recht zu Grunde liegt. Ein rechtmäßiger
Besitz ist im Rahmen des sonstigen Rechts des
§ 823 Abs. 1 BGB geschützt.
Nicht geschützt sind nur relativ wirkende Forderungsrechte. Wer gegen einen Verkäufer
einen Eigentumsverschaffungsanspruch hat, dessen Realisierung daran scheitert, dass
ein
anderer mit dem Verkäufer den dinglichen Eigentumsübertragungsvertrag schließt, der hat
gegen den anderen keinen Schadensersatzanspruch aus
§ 823 Abs. 1 BGB, sondern
allenfalls einen solchen aus
§ 826 BGB. Ebenso wenig genießt derjenige Schutz,
dessen Forderungen sich deshalb als undurchsetzbar erweisen, weil sein Schuldner durch
Manipulationen Dritter nicht mehr über die Mittel verfügt, die Forderungen zu
begleichen.
Manche wollen relative Forderungen wenigstens insoweit als sonstige Rechte im Rahmen
des § 823 Abs. 1 BGB schützen, als nicht nur die Durchsetzbarkeit der
Forderung, sondern die Forderungszuständigkeit berührt ist. Das kann z.B. dann
geschehen, wenn nach einer dem Schuldner nicht entdeckten Forderungsabtretung der
Schuldner an den alten Gläubiger leistet und die Forderung aufgrund
§ 407 BGB zum
Erlöschen gebracht wird. Indessen besteht auch hier kein Bedürfnis, der relativen
Forderung deliktischen Schutz nach
§ 823 Abs. 1 BGB zu gewähren. Den Schutz
übernimmt das Bereicherungsrecht mit
§ 816 Abs. 2 BGB. Eines
Schadensersatzanspruchs gegen den ursprünglichen Gläubiger bedarf es deshalb nicht. Das
könnte man anders sehen mit Blick auf den in fahrlässiger Unkenntnis handelnden
Schuldner. Allerdings würde die Gewährung eines Schadensersatzanspruchs gegen ihn mit
der Wertung des
§ 407 Abs. 1 in Konflikt geraten, der die Kenntnis der
Abtretung verlangt.
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