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Anspruchsberechtigung und Drittschaden

Das haftungsbegründende Ereignis - die Vertragsverletzung, das pflichtwidrige Verhalten, die Realisierung einer Betriebsgefahr - kann bei mehreren Personen zu Schäden führen. Wird etwa die berühmte Isolde durch verkehrswidriges Verhalten des Taxifahrers statt zur einzigen Vorstellung ins Krankenhaus befördert, so erleidet nicht nur sie einen Schaden, sondern auch der noch nicht berühmte Tristan, dem die Chance entgeht, sich an ihrer Seite in Festspielhäuser und Geld zu singen, der Veranstalter, der das Eintrittsgeld zurückzahlen muss und auf seinen Kosten sitzen bleibt, die vielen Wagnerfreunde, die unter Umständen von weither angereist kamen, die Sicherungsträger, die den einen oder anderen Nachteil nach je eigenen Regeln ausgleichen. Und doch haben nicht alle Personen, denen ein Schaden entstanden ist, auch einen Ersatzanspruch. Die Ersatzberechtigung ist vielmehr auf diejenigen beschränkt, für deren Interessen Haftungstatbestände streiten. Das Tatbestands- und Verletzungsprinzip lässt bei Vertragshaftungen grundsätzlich nur die Vertragspartner am Schadensausgleich teilnehmen. Bei Haftungen aus allgemeinem sozialen Kontakt können in der Regel lediglich die Personen ihren Schaden liquidieren, bei denen die tatbestandlichen Haftungsvoraussetzungen - die Rechtsguts- oder Schutzgesetzverletzung - eingetreten sind. Die anderen - die mittelbar Geschädigten - gehen grundsätzlich leer aus.  

Die Rigorosität des Tatbestands- und Verletzungsprinzips kann auf verschiedene Weise gemildert werden. Zum einen ist es denkbar, Regreßwege für diejenigen zu öffnen, auf deren Kosten ein Nachteil beim Anspruchsträger erst gar nicht entsteht oder aber ausgeglichen wird. Sie könnten aus abgeleitetem Recht gegen den haftpflichtigen Schädiger vorgehen und müßten den Schaden aus den Verhältnissen des ursprünglichen Anspruchsträgers berechnen. Zum anderen ist es denkbar, Berechnungs- und Liquidationsmöglichkeiten nach den Verhältnissen des Dritten zu eröffnen. Das kann geschehen, indem man Anspruchsberechtigungen zum Schaden zieht (so in den §§ 844, 845 und bei den Verträgen mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter ) oder indem man dem Anspruchsträger erlaubt, den Schaden eines Dritten geltend zu machen (so in den Fällen der Drittschadensliquidation ). Gesetzgeber, Rechtsprechung und Rechtsdogmatik haben sich aller dieser Möglichkeiten bedient (vgl. Berg JuS 1977, 363 ff.). Die Abgrenzungen sind nicht sonderlich klar. Sie werden zum Teil noch dadurch erschwert, daß infolge einer Begriffsverwechslung der Drittschadensproblematik Fälle zugeordnet werden, die gar nicht die Merkmale dieser Problematik tragen.

Die Drittschadensproblematik ist dadurch gekennzeichnet, daß jemand einen Schaden erleidet, ohne - nach dem Tatbestands- und Verletzungsprinzip - einen Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger zu haben, sei es, daß er nicht selbst Vertragspartner des Schädigers ist, sei es, daß er nicht selbst in seinen deliktisch geschützten Rechten verletzt worden ist. An der Drittschadensproblematik nehmen deshalb nicht die Fälle teil, in denen durch ein Ereignis gleichzeitig oder nacheinander mehrere Personen in ihren rechtlich geschützten Gütern verletzt werden. Dies gilt für die sog. Schockschadenfälle, in denen Dritte durch den Anblick oder die Benachrichtung von der Verletzung oder gar Tötung eines anderen einen Schock erleiden. Die Problematik dieser Fälle liegt einerseits in der Festsetzung dessen, was Gesundheitsverletzung (§ 823 Abs. 1) heißen soll, andererseits in der Schutzbereichsbestimmung des verletzten Sorgfaltsgebots oder der realisierten Betriebsgefahr, nicht aber im möglichen Ersatz von Drittschäden.

Ebenfalls außerhalb der Drittschadensproblematik liegen die Fälle, in denen der Verletzte seinen Schaden mit einer Ersatzverpflichtung begründet, die ihm gegenüber einem Dritten obliegt (koinzidierendes Haftungsinteresse, dazu eingehend v. Marschall S. 284 ff.). Das gilt etwa für den Verkäufer einer fix bestellten, der Gattung nach bestimmten Ware, die auf dem Transport durch zurechenbares Verhalten eines anderen vernichtet wird. Hier haftet der Verkäufer, der nicht mehr rechtzeitig nachliefern kann, seinem Käufer nach §§ 280, 283 BGB auf das positive Vertragsinteresse und kann diesen Schaden seinerseits beim Verletzer geltend machen. Um eine Durchbrechung des Tatbestands- und Verletzungsprinzips handelt es sich dabei deshalb nicht, weil der Verkäufer mit dem koinzidierenden Haftungsinteresse einen Schaden geltend macht, der aufgrund der Verletzung seines tatbestandlich geschützten Rechtsguts bei ihm entstanden ist. Die Drittschadensproblematik kommt erst dann ins Spiel, wenn der Verkäufer wegen einer Haftungsfreizeichnung oder einer gesetzlichen Gefahrentlastung seinerseits keinen Schaden erleidet.

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© Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Rüßmann. 
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