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Abstrakte Schadensberechnung

Anwendungsbereich

Die Schadensermittlung nach der Differenzhypothese verschafft dem Ersatzberechtigten den vermögensmäßigen Ausgleich der auf Grund des haftungsauslösenden Ereignisses erlittenen Einbußen und versagt ihm zugleich, sich am Schadensfall zu bereichern. Sie dient so der Ausgleichsfunktion des Schadensrechts. Dieser Vorzug ist allerdings leicht verspielt, wenn man an die Stelle der konkreten Berechnung der in die Vermögensbilanzen einzustellenden Positionen eine abstrakte Schadensberechnung setzt. Unter dem Signum der abstrakten Schadensberechnung treten denn auch häufig Forderungen auf, die im geltenden Schadensrecht deshalb keinen Platz haben. weil sie - ohne entsprechende gesetzliche Grundlage - zum Schadensersatz ohne Schaden führen. So weist nach Steindorff (AcP 158 (1959/60), 431) die Wahlmöglichkeit zwischen abstrakter und konkreter Schadensberechnung auf einen nach materiellen Grundsätzen zu differenzierenden Schadensbegriff zurück. Die Rechtsverfolgungsthese (hier und hier) wird belebt. Bei besonderer Schutzwürdigkeit der verletzten Rechtsposition soll eine abstrakte Berechnung zu Zwecken der Rechtsverfolgung und Buße gerechtfertigt sein. Die besondere Schutzwürdigkeit komme Immaterialgüterrechten, nicht aber Persönlichkeits- und Sachenrechten zu. Schließlich sei es den Parteien marktbezogener Geschäfte verwehrt, einen konkreten Schaden geltend zu machen. Der Verkäufer könne nur die Differenz zwischen Kaufpreis und gefallenem Marktpreis verlangen, dies allerdings ohne Rücksicht darauf, ob ihm tatsächlich ein Schaden entstanden sei.

Begriffliche Festlegung

Die Diskussion der "Möglichkeiten und Grenzen abstrakter Schadensberechnung" (Knobbe-Keuk VersR 1976, 401) wird dadurch erschwert, dass man den Begriff nach unterschiedlichen Regeln für unterschiedliche Dinge verwendet. Die einen verstehen unter abstrakter Schadensberechnung einfach die Beweiserleichterung des § 252 Satz 2 für die Berechnung entgangenen Gewinns (so BGH 62, 103). Andere reservieren die Bezeichnung für materiellrechtliche Regelungen, die den Inhalt des Schadensersatzanspruchs so festlegen, dass ein bestimmter Betrag stets als Mindestschaden ersetzt werden kann (so etwa Steindorff und Knobbe-Keuk ). Hier soll nur im letzteren Sinne von abstrakter Schadensberechnung gesprochen werden. Bei ihr geht es dann nicht um den beweiserleichternden Rekurs des Anspruchstellers auf den "gewöhnlichen Lauf der Dinge", sondern um den Ausschluss des Anspruchsgegners von der bei konkreter Berechnung anspruchsmindernden Darlegung eines ungewöhnlichen Verlaufs.

Gesetzliche Fälle und vertragliche Vereinbarungen

Die abstrakte Schadensberechnung lässt das Gesetz nur ausnahmsweise zu. So verpflichten etwa §§ 288, 291 den Schuldner zur Verzinsung des einem anderen vorenthaltenen Geldbetrags in Höhe von 5 % (§ 288 Abs. 1 BGB) bzw. 8 % (§ 288 Abs. 2 BGB) über dem jeweiligen Basiszinssatz unabhängig davon, ob der jeweilige Gläubiger nun auch tatsächlich das Geld gewinnbringend angelegt hätte. Der abstrakte Mindestschaden schließt die Geltendmachung eines höheren Schadens nicht aus (§ 288 Abs. 4 BGB). Der höhere Schaden muss dann allerdings konkret errechnet werden. Ähnlich verhält es sich beim Fixhandelskauf über Waren, die einen Markt- oder Börsenpreis haben: Für den Schadensersatzanspruch des nicht rechtzeitig bedienten Vertragspartners bestimmt § 376 Abs. 2 HGB, dass "der Unterschied des Kaufpreises und des Markt- oder Börsenpreises zurzeit und am Orte der geschuldeten Leistung gefordert werden" könne. Gegenüber einem so berechneten Schaden kann der Verpflichtete nicht einwenden, dass etwa der Ersatzberechtigte die Ware auf Grund besonderer Beziehungen tatsächlich zu einem niedrigeren Preis als dem Marktpreis bekommen habe.

Der Ansatz von (Knobbe-)Keuk

Die Ausgleichsfunktion des Differenzschadensbegriffs verfehlt der Ansatz von (Knobbe-)Keuk. Zwar macht auch Keuk verbal Front gegen Tendenzen in Rechtsprechung und Literatur, Schadensersatz ohne Schaden zu gewähren, und empfiehlt die Beschränkung der abstrakten Schadensberechnung auf die gesetzlich geregelten Fälle zuzüglich der zweiten Schadensberechnungsmethode bei Immaterialgüterrechtsverletzungen und der Berechnung des Unternehmerlohns von selbständig Gewerbetreibenden (VersR 1976, 405 ff.); mit ihrer Definition des zu ersetzenden Interesses führt sie allerdings hinterrücks weit reichende Möglichkeiten des Schadensersatzes ohne Schaden ein. Das Interesse wird auf den Zustand bezogen, ,,den der Schuldner durch sein ordnungsgemäßes Verhalten hätte herbeiführen sollen" (S. 53) und nun (schadens-)ersatzweise herzustellen hat. Dass diese Festlegung das Schadensrecht des BGB verfehlt, welches auch Haftungen ausfüllt. die sich nicht auf Pflichtverletzungen gründen, ist schon vermerkt worden (siehe J.I.3). Es bleibt zu zeigen, dass sie auch dort nicht taugt, wo sie vordergründig plausibel erscheint: beim Ersatz des (vertraglichen, positiven) Erfüllungsinteresses. Keuk argumentiert so (S. 109 ff.): Das ordnungsgemäße Verhalten des Schuldners ist die Leistung zum Erfüllungszeitpunkt. Hierauf ist das positive Interesse des Gläubigers gerichtet. Soll es ersatzweise befriedigt werden, ist als Mindestschaden der Wert der vorenthaltenen Leistung im Erfüllungszeitpunkt zu ersetzen, was auch immer sonst noch geschehen mag.

Hier gerät die für den Fixhandelskauf in § 376 Abs. 2 HGB getroffene Sonderregel zur allgemeinen Regel für Kaufgeschäfte überhaupt (so explizit Keuk S. 113 ff.). Jeder Käufer kann als positives Mindestinteresse den Anschaffungspreis (Deckungsgeschäft) abzüglich der ersparten Gegenleistung verlangen, jeder Verkäufer die vereinbarte Vergütung abzüglich des Einkaufspreises. Da dies auch dann noch gelten soll, wenn der Käufer gar kein Deckungsgeschäft vornimmt oder der Verkäufer die nicht abgenommene Sache anderweitig mit Gewinn veräußert, wird Schadensersatz ohne Schaden gewährt und das Bereicherungsverbot des Vermögensschadensrechts verletzt. Dies zeigt schließlich auch die viel diskutierte Entscheidung BGH 49, 56 (bei Keuk S. 121 ff.). Hier war ein Mieter ausgezogen, ohne seiner vertraglich übernommenen Renovierungspflicht zu genügen. Der Vermieter fand einen Nachmieter, der es übernahm, die Räume auf seine Kosten zu renovieren, und dieser Pflicht auch nachkam. Legt man die Differenzhypothese zugrunde, so hat der Vermieter mangels Schaden keinen Schadensersatzanspruch gegen den Vormieter. Anders Keuk: Sie will als Mindestschaden dem Vermieter jedenfalls den Wert der vorenthaltenen Leistung im Erfüllungszeitpunkt vergüten; anders auch der BGH, der - ausgehend von der Differenzhypothese - den Vorteilsausgleich versagt, um den Schädiger nicht unbillig zu entlasten. Warum es aber billig sein soll, den Vermieter am Schadensfall zu bereichern, darauf bleiben beide die Antwort schuldig. Ausgleichsbedürftig ist nicht der Vermieter, sondern der Nachmieter, dessen Ausgleichsberechtigung sich über einen Bereicherungsregress oder auch einen Gesamtschuldregress begründen läßt (für den Gesamtschuldregress Schmudlach NJW 1974, 257 ff.; LG Kassel NJW 1975, 1842; Lange, § 9 V 6; dagegen Gundlach NJW 1976, 787 mit Erwägungen aus einer überholten Gesamtschuldkonzeption). 

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© Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Rüßmann. 
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Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Rüßmann.
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