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Das Recht zur zweiten Andienung (Art. 48 CISG)Gemäß Art. 48 Abs. 1 CISG kann der Verkäufer einen Mangel in der Erfüllung seiner Pflichten auch nach dem Liefertermin auf eigene Kosten beheben, wenn dies keine unzumutbare Verzögerung nach sich zieht und dem Käufer weder unzumutbare Unannehmlichkeiten noch Ungewissheit über die Erstattung seiner Auslagen durch den Verkäufer verursacht. Dies gilt aber nur "vorbehaltlich des Art. 49". Dieses in Art. 48 Abs. 1 CISG geregelte "Recht zur zweiten Andienung" ("seller´s right to cure"), das durch den Grundsatz des Vorranges der Nacherfüllung auch de facto im BGB gilt, baut auf dem im BGB noch ein wenig konsequenter durchgehaltenen Gedanken des Vorranges der Aufrechterhaltung des Vertrages vor dessen Abwicklung auf Sekundärleistungsebene auf. Größte praktische Bedeutung hat es bei Sach- und Rechtsmängeln. Bei nicht rechtzeitiger Vertragserfüllung ist es regelmäßig uninteressant, da hier bereits aus Art. 49 Abs. 1 b CISG folgt, dass der Verkäufer nacherfüllen kann, solange die Verzögerung keine "wesentliche Vertragsverletzung" darstellt (dann Art. 49 Abs. 1 a CISG) und eine vom Käufer gemäß Art. 47 Abs. 1 CISG gesetzte Nachfrist noch nicht fruchtlos abgelaufen ist (dann Art. 49 Abs. 1 b CISG). Der "Vorbehalt des Art. 49" wird von der herrschenden Meinung (auch international) so verstanden, dass das Nacherfüllungsrecht des Verkäufers nicht besteht, wenn seine mangelhafte Erfüllung bereits eine "wesentliche Vertragsverletzung" darstellt. Dann hat der Verkäufer das Recht, die Aufhebung des Vertrages zu verlangen (Müller-Chen, in: Schlechtriem, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, Art. 48 Rdnr. 14 ff.). Allerdings wird das nur in Ausnahmefällen, wie etwa dem Vorliegen eines Fixgeschäfts oder im Falle betrügerischen Verhaltens des Verkäufers im Zusammenhang mit der Leistung angenommen (Müller-Chen, aaO, Art. 48 Rdnr. 15), also in Fällen in denen auch nach BGB-Kaufrecht der Vorrang der Nacherfüllung durchbrochen ist (vgl. § 323 Abs. 2 Nrn. 2 und 3 BGB). Dennoch ist auf Grund der klaren und abschließenden Regelung der Fälle in § 323 Abs. 2 BGB, in denen das Prinzip des Vorranges der Nacherfüllung nur durchbrochen werden darf (falls die Rspr. § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB zurückhaltend auslegen wird), der Vorrang der Vertragsdurchführung regelungstechnisch klarer herausgestellt als im CISG, bei dem alles davon abhängt, ob man den Mangel als "wesentliche Vertragsverletzung" wertet oder nicht. Im Übrigen ist der Verkäufer im Anwendungsbereich des CISG frei, zwischen den ihm geeignet erscheinenden Möglichkeiten der Mängelbeseitigung zu wählen: Er kann die Ware austauschen oder reparieren, die Beseitigung eines den Kaufgegenstand belastenden Rechts herbeiführen (Herber/Czerwenka, Internationales Kaufrecht, Art. 48 Rdnr. 2). Allerdings gilt dies nur, wenn der Mangel überhaupt behebbar ist. So kann der Verkäufer z.B. beim Stückkauf nicht mit einer anderen fehlerfreien Sache nacherfüllen, da diese Sache nie geschuldet war (Müller-Chen, in: Schlechtriem, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, Art. 48 Rdnr. 5). Dieses Wahlrecht des Verkäufers unterscheidet das CISG wiederum vom BGB, das in § 439 BGB dem Käufer ein Wahlrecht hinsichtlich der verschiedenen Varianten der Nacherfüllung einräumt, das seinerseits der Verkäufer nur durch die Einrede aus § 439 Abs. 3 BGB beschränken kann. Bei "Unzumutbarkeit" ist das Nacherfüllungsrecht des Verkäufers ausgeschlossen. Typische Beispiele für eine solche "Unzumutbarkeit" sind z.B. mehrfache bereits fehlgeschlagene Nachbesserungsversuche oder durch die Nacherfüllung herbeigeführte Betriebsstörungen und Produktionsunterbrechungen (Herber/Czerwenka, Internationales Kaufrecht, Art. 48 Rdnr. 3).
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