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Der Anspruch auf Erfüllung als Rechtsbehelf gemäß Artt. 45 Abs. 1 Nr. a, 46 Abs. 1 CISGEs entspricht kontinentaleuropäischer Rechtstradition, dass der Gläubiger, so lange noch nicht erfüllt ist, einen Erfüllungsanspruch hat. Dies folgt aus dem Grundsatz "pacta sunt servanda" und ist etwa für das deutsche Recht ganz selbstverständlich. Der Verkäufer kann sich daher nach dem BGB-Schuldrecht nicht einfach durch Leistung von Schadensersatz in Geld von der Erfüllung der geschuldeten Leistung befreien, wenn ihm die Erfüllung der Primärleistungspflicht lästig geworden ist. Demgegenüber hat der Gläubiger nach der Grundkonzeption der Rechte des Common Law nur ausnahmsweise einen Anspruch auf Erfüllung "in Natur" (specific performance), etwa dann, wenn er gerade ein besonderes Interesse daran hat. Ansonsten kann er nur Schadensersatz in Geld verlangen (Müller-Chen, in: Schlechtriem, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, 4. Aufl. 2004, Art. 28 Rdnrn. 2 - 4). Erst diese grundverschiedenen Ausgangspunkte machen es für einen deutschen Juristen verständlich, warum der Erfüllungsanspruch im CISG als Rechtsbehelf konzipiert ist, der erst eingreift, wenn der Schuldner eine Vertragsverletzung begeht, indem er den Vertrag nicht erfüllt. Als weiteres Zugeständnis an die Vertragsstaaten des Rechtskreises des Common Law kann man den Erfüllungsanspruch gemäß Artt. 45 Abs. 1 a, 46 Abs. 1 CISG wegen Art. 28 CISG u.U. nicht vor den Gerichten dieser Vertragsstaaten durchsetzen. Der Erfüllungsanspruch ist gemäß Art. 46 Abs. 1 CISG ausgeschlossen, wenn der Käufer bereits einen Rechtsbehelf ausgeübt hat, der mit diesem Verlangen unvereinbar ist. Dies ist z.B. der Fall, wenn der Käufer bereits die Aufhebung des Vertrages erklärt hat (Art. 81 Abs. 1 Satz 1 CISG) oder wenn er bei Lieferung einer mangelhaften Kaufsache den Erfüllungsanspruch schon im Wege eines Schadensersatzbegehrens gerichtet auf Ersatz des Minderwertes verfolgt (Müller-Chen, in: Schlechtriem, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, Art. 46 Rdnr. 7). Der Erfüllungsanspruch geht bei objektiver Unmöglichkeit der Leistung ebenso wie im deutschen Recht (vgl. § 275 Abs. 1 BGB) unter. Dem wird der Fall gleichgestellt, dass die Kaufsache zwar noch existiert, aber ihr Verbleib unbekannt und nicht aufklärbar ist (wie z.B. beim Diebstahl der Kaufsache). Schließlich führt auch das Unvermögen zum Ausschluss des Erfüllungsanspruchs, wenn man Unvermögen zutreffend - eng - so definiert, dass die Leistung nicht für jedermann, wohl aber für den Schuldner unmöglich ist, weil er die geschuldete Sache unter keinen Umständen beschaffen kann. Das bedeutet konkret, dass die Beschaffung der Kaufsache dem Verkäufer nicht einmal theoretisch möglich sein darf, weil der Eigentümer der verkauften Sache (bei der Stückschuld) bzw. die Eigentümer der zur Erfüllung in Betracht kommenden Sachen (bei der begrenzten Gattungsschuld: z.B. limitierte Auflage einer CD) unter keinen Umständen bereit ist/sind, die Sache an den Verkäufer zu verkaufen. Dies ist zwar nirgendwo im CISG ausdrücklich geregelt, wird aber allgemein angenommen und mit der "Natur der Sache" begründet (Müller-Chen, in: Schlechtriem, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, Art. 46 Rdnr. 12; Stoll/Gruber, in: Schlechtriem, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, Art. 79 Rdnr. 47 f.). Dies ist im deutschen Recht bei anfänglicher und nachträglicher Unmöglichkeit sowie bei anfänglichem und nachträglichem Unvermögen der Leistungserbringung nicht anders, im Gegensatz zum CISG jedoch in § 275 Abs. 1 BGB ausdrücklich geregelt. Gemäß Art. 79 Abs. 1 CISG hat eine Partei für die Erfüllung ihrer Pflichten nicht einzustehen, wenn sie beweist, dass die Nichterfüllung auf einem außerhalb ihres Einflussbereichs liegenden Hinderungsgrund beruht und dass von ihr vernünftigerweise nicht erwartet werden konnte, den Hinderungsgrund bei Vertragsschluss in Betracht zu ziehen oder zu vermeiden oder zu überwinden. Alleine auf Grund des Wortlautes dieser Vorschrift ("nicht einzustehen") könnte man annehmen, dass der Schuldner in allen Fällen des Art. 79 Abs. 1 CISG von seiner Primärleistungspflicht befreit wird. Diesem Verständnis des Art. 79 Abs. 1 CISG steht jedoch nach herrschender Meinung sowohl die Entstehungsgeschichte der Vorschrift als auch Art. 79 Abs. 5 CISG entgegen, nach dem Art. 79 CISG die Parteien nur daran hindert, das Recht auf Schadensersatz auszuüben, so dass der Rechtsbehelf des Erfüllungsanspruchs von Art. 79 CISG unberührt bleibt (Stoll/Gruber, in: Schlechtriem, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, Art. 79 Rdnr. 3; Rdnr. 45 f. (dort mit differenzierter Betrachtung); Reinhart, UN-Kaufrecht, Kommentar, 1991, Art. 79 Rdnr. 11). Dem hält allerdings eine Mindermeinung entgegen, dass es widersprüchlich wäre, dem Schuldner zwar einen Erfüllungsanspruch zu geben, ihn aber bei Nichterfüllung von der Haftung zu befreien. Daher geht diese Ansicht davon aus, dass der Erfüllungsanspruch immer erlischt, wenn Art. 79 Abs. 1 erfüllt ist (Müller-Chen, in: Schlechtriem, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, Art. 46 Rdnr. 9 ff.; Staudinger, Julius von (Begr.), Kommentar zum BGB mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, CISG, 2005, Magnus, Art. 46 Rdnr. 25). Der Erfüllungsanspruch geht somit nach herrschender Meinung im Anwendungsbereich des CISG nur bei objektiver und subjektiver Unmöglichkeit der Leistungserbringung unter. In allen anderen Fällen der bloßen Leistungserschwerung bleibt er grundsätzlich bestehen. In diesen Fällen, in denen die Leistung jedenfalls theoretisch möglich ist, kann es nur in dem seltenen Fall der Überschreitung der äußersten "Opfergrenze" auf Grund nachträglicher nicht vorhersehbarer Leistungserschwerungen infolge einer wesentlichen Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse zum Untergang des Erfüllungsanspruchs kommen. Diese Opfergrenze soll überschritten sein, wenn dem Schuldner die Vertragserfüllung unter Inkaufnahme schwerer wirtschaftlicher Nachteile schlechthin nicht mehr zugemutet werden kann (vgl. Stoll/Gruber, in: Schlechtriem, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, Art. 79 Rdnrn. 30 ff.und 48). Das autonome deutsche Kaufrecht regelt diesen Problemkreis differenzierter in § 275 Abs. 2 BGB und § 313 BGB. Nach § 275 Abs. 2 BGB (Fälle sogen. "faktischer oder praktischer Unmöglichkeit") wird der Verkäufer von der Leistungspflicht befreit, wenn die Leistung unter Beachtung des Inhaltes des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zum Leistungsinteresse des Käufers steht und der Verkäufer von seinem Leistungsverweigerungsrecht aus § 275 Abs. 2 BGB Gebrauch macht. In diesen (seltenen) Fällen, in denen also das Verhältnis des Leistungsinteresses des Käufers zum Aufwand des Verkäufers die Opfergrenze markiert, kann sich der Verkäufer also durch Erhebung einer Einrede von der Leistungspflicht befreien. Dabei werden sowohl anfängliche wie nachträgliche Leistungshindernisse erfasst. Demgegenüber werden in § 313 BGB die Fälle der sogen. "wirtschaftlichen Unmöglichkeit" erfasst, bei denen anders als bei § 275 Abs. 2 BGB nicht auf das Gläubigerinteresse, sondern vergleichbar zur h.M. im CISG auf die Zumutbarkeit der Leistungserbringung für den Verkäufer abgestellt wird. Ähnlich wie nach den ungeschriebenen Regeln des CISG kommt es darauf an, dass sich die Umstände, die zur Vertragsgrundlage geworden sind, nachträglich schwerwiegend geändert haben, so dass die Parteien den Vertrag, wenn sie diese Veränderungen vorhergesehen hätten, nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten (§ 313 Abs. 1 BGB). Hinsichtlich der in § 313 BGB geregelten Fallgestaltungen der "wirtschaftlichen Unmöglichkeit" unterscheiden sich denn auch das CISG und das BGB-Kaufrecht nicht so sehr in den Voraussetzungen, sondern vielmehr in den Rechtsfolgen. Beim BGB-Kaufvertrag kann der Käufer unter den Voraussetzungen des § 313 Abs. 1 BGB in erster Linie Vertragsanpassung verlangen und nur subsidiär gemäß § 313 Abs. 3 BGB vom Vertrag zurücktreten bzw. (bei Dauerschuldverhältnisse) diesen kündigen. Bei Anwendung des CISG kommt dagegen nach herrschender Ansicht nur die Befreiung von der Primärleistungspflicht unter den oben beschriebenen Voraussetzungen in Frage. Diese Rechtsfolge kann der Verkäufer beim BGB-Kaufvertrag nur unter den strengen auf das Käuferinteresse bezogenen Voraussetzungen des § 275 Abs. 2 BGB durch Einredeerhebung herbeiführen, sonst subsidiär gemäß § 313 Abs. 3 BGB durch Rücktritts- bzw. Kündigungserklärung. Es wird allerdings teilweise in der Literatur zum CISG angenommen, dass Art. 79 CISG diesen Problemkreis nur unvollkommen regele, so dass diese Gesetzeslücke unter Heranziehung des kollisionsrechtlich zur Anwendung kommenden autonomen nationalen Rechts, also bei Anwendung deutschen Rechts über § 313 BGB, geschlossen werden müsse. Die ganz herrschende Meinung ist dieser Lösung jedoch nicht gefolgt, da es wegen der verschiedenen Rechtslage der Vertragsstaaten (z.B. in Frankreich ist der Wegfall der Geschäftsgrundlage grundsätzlich nicht anerkannt) zu einer vom UN-Kaufrecht gerade nicht gewollten Rechtszersplitterung käme (vgl. Stoll/Gruber, in: Schlechtriem, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, Art. 79 Rdnr. 31). |
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