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Zusammenfassender Vergleich des Leistungsstörungsrechts des UN-Kaufrechts mit dem Leistungsstörungsrecht des BGB-KaufsDie prägnanteste Gemeinsamkeit zwischen dem Leistungsstörungsrecht des CISG und dem BGB-Kaufrecht ist darin zu sehen, dass das Leistungsstörungsrecht des UN-Kaufrechts ebenso wie das Leistungsstörungsrecht des BGB-Kaufrechts auf jeweils einem einheitlichen Zentralbegriff aufbauen, die sich zwar begrifflich ein wenig voneinander unterscheiden, aber inhaltlich identisch sind (im CISG: "Nichterfüllung" bzw. synonym "Vertragsverletzung"; im BGB: "Pflichtverletzung"). Diese gemeinsame Regelungstechnik kann auch nicht verwundern, wenn man bedenkt, dass das CISG ein wesentliches Vorbild für den Gesetzgeber der Schuldrechtsreform war. Allerdings hat das BGB-Leistungsstörungsrecht ausgehend von diesem Zentralbegriff mehrere Unterkategorien der "Pflichtverletzung" geschaffen (anfängliche(s) und nachträgliche(s) Unmöglichkeit (Unvermögen): §§ 275, 283, 311a, 326 Abs. 5 BGB; Leistungsverzögerung/Verzug: 280 Abs 2, 286, 281, 323; Verletzung von Nebenpflichten: nichtleistungsbezogen (vertraglich/vorvertraglich): 280 Abs. 1 (ggf. i.V.m. § 311 Abs. 2), Abs. 3 i.V.m. 282, 324 BGB; leistungsbezogen: §§ 280 Abs. 1, Abs. 3 i.V.m. 281, 323 BGB; Schlechtleistung ("Nichtvertragsgemäßheit der Leistung"): §§ 281, 323 BGB (ggf. i.V.m. 437 Nr. 2, 3 BGB), 439, 441 BGB)). Diese Regelungstechnik führt zwar zu einer recht hohen Zahl verschiedener Anspruchsgrundlagen, erleichtert im Ergebnis jedoch durch eine Absenkung des Abstraktionsgrades die Rechtsanwendung, zumal der Gesetzgeber das Auffinden der einschlägigen über das BGB verstreuten Anspruchsgrundlagen (§§ 280 Abs. 1, Abs. 2 i.V.m. 286, Abs. 3 i.V.m. 281 bzw. 282 bzw. 283, 311 a Abs. 2, 346 i.V.m. § 323 bzw. 324 bzw. 326 Abs. 5 (alles ggf. i.V.m. § 437, 440), 439 BGB) durch Verweisungsvorschriften erleichtert hat (vgl. §§ 275 Abs. 4, 280 Abs. 2 und 3, 437, 634 BGB, die weitgehend nur "Merkzettelfunktion" haben). Demgegenüber verzichtet das CISG zwar auch nicht auf Unterkategorien zum Zentralbegriff der "Nichterfüllung" bzw. "Vertragsverletzung", beschränkt sich aber auf eine weniger weit gehende Differenzierung als das BGB, die ganz ohne die Kategorie der Unmöglichkeit auskommt, ("Nichtvertragsgemäßheit der Ware": Art. 46 Abs. 2 und 3, Art. 50 CISG; "Nichtlieferung" bzw. "verspätete Lieferung": Art. 49 Abs. 1 b, Abs. 2 CISG)) und fängt dies dadurch auf, dass es auf einer höheren Abstraktionsebene als das Leistungsstörungsrecht des BGB das Eingreifen bestimmter Rechtsbehelfe davon abhängig macht, ob die Vertragsverletzung "wesentlich" ist oder nicht (vgl. Coester-Waltjen, Jura 1997, 637). Trotz der höheren Zahl von Anspruchsgrundlagen hat das Leistungsstörungsrecht des BGB-Kaufs gegenüber dem Leistungsstörungsrecht des UN-Kaufrechts den Vorzug, dass es wegen des geringeren Abstraktionsgrades "benutzerfreundlicher" ist. Dies wird ferner durch die §§ 281 Abs. 2, 323 Abs. 2, 440 BGB deutlich, die klar regeln, in welchen Fällen das Prinzip des Vorranges der Nacherfüllung durchbrochen wird, während sich dies im Anwendungsbereich des CISG nur teils durch systematische Auslegung (im Verhältnis von Art. 45 Abs. 1 b zu Art. 48 und 49 CISG), teils aus der richtigen Anwendung des Merkmales "wesentliche Vertragsverletzung" erschließt. Allerdings bewahrt auch das BGB nicht vor der Notwendigkeit, zwischen erheblichen und unerheblichen Pflichtverletzungen zu unterscheiden, weil es bei unerheblichen Pflichtverletzungen beim Vorrang der Nacherfüllung bleibt (§ 281 Abs. 1 Satz 3, § 325 Abs. 5 Satz 2 BGB). Ebenfalls unter dem Gesichtspunkt der "Benutzerfreundlichkeit" fällt zugunsten des BGB ins Gewicht, dass es seit der Schuldrechtsreform auf schwierige Abgrenzungen verzichtet, die die Anwendung des BGB erschweren. Neben der bereits angesprochenen kasuistisch vorzunehmenden Abgrenzung von "wesentlicher" und "unwesentlicher Vertragsverletzung" ist hier die schwierige Abgrenzung zwischen Sach- und Rechtsmangel zu nennen, die im BGB wegen §§ 434, 435 BGB entbehrlich ist, im CISG indes bei der Anwendung des Art. 46 CISG insofern eine große Rolle spielt, als Art. 46 Abs. 2 und 3 CISG nur beim Sachmangel nicht aber beim Rechtsmangel zur Anwendung kommen. Eine weitere Gemeinsamkeit von CISG und BGB ist, dass sie beide vom Vorrang der Vertragserhaltung ausgehen. Dabei geht das CISG insoweit weiter als das BGB, als es den Käufer mit einer Untersuchungs- und Rügeobliegenheit belastet, die das deutsche Zivilrecht nur für den Handelskauf vorsieht (§ 377 HGB). Demgegenüber geht das BGB-Kaufrecht wegen der regelmäßig geringeren Bedeutung der Transportkosten beim Inlandskauf in der Umsetzung des Prinzips des Vorranges der Nacherfüllung insoweit einen Schritt weiter als das CISG, als es auch den Anspruch auf Nachlieferung als primären Rechtsbehelf ausgestaltet, den der Käufer wahlweise neben dem Anspruch auf Nachbesserung geltend machen kann, während der Anspruch auf Nachlieferung in Art. 46 Abs. 2 CISG an eine "wesentliche Vertragsverletzung" gebunden und mithin nicht nur als sekundärer Rechtsbehelf, sondern als "ultima ratio" ausgestaltet ist. Außer dem Anspruch auf Nachlieferung ist auch der Rechtsbehelf der Vertragsaufhebung im CISG (Art. 49 Abs. 1 CISG) als "ultima ratio" konzipiert. Demgegenüber ist das BGB-Kaufrecht ein wenig rücktrittsfreundlicher (§§ 437 Nr. 2, 440, 323 bzw. 326 Abs. 5 BGB). Es macht zwar auch im Regelfall des Rücktritts wegen eines behebbaren Mangels gemäß §§ 437 Nr. 2,440, 323 BGB das Rücktrittsrecht vom fruchtlosen Ablauf einer dem Verkäufer gesetzten angemessenen Frist zur Nacherfüllung abhängig und schließt den Rücktritt nach § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB bei unerheblichen Pflichtverletzungen aus, stellt damit aber immer noch geringere Hürden für den Rücktritt auf als das CISG. Dieses fordert für die Vertragsaufhebung nämlich nicht nur einen Mangel der Kaufsache, sondern darüber hinaus, dass dieser Mangel als "wesentliche Vertragsverletzung" gewertet werden kann, was nur der Fall ist, wenn er objektiv so schwerwiegend ist, dass dies die Vertragsaufhebung rechtfertigt. Dies wird nur bejaht, wenn dem Käufer eine anderweitige Verwertung der Kaufsache im gewöhnlichen Geschäftsverkehr, wenn auch mit einem Preisabschlag, ohne unverhältnismäßigen Aufwand nicht zugemutet werden kann. Hinzu kommt, dass das Rücktrittsrecht des CISG - wie alle Rechtsbehelfe im CISG - die Beachtung der dem BGB-Kaufrecht unbekannten Rügeobliegenheit gemäß Art. 39 CISG erfordert. Ähnlich sind hingegen die Rechtsbehelfe Schadensersatzanspruch (Art. 45 Abs. 1 b CISG; §§ 437 Nr. 3, 440, 280 ff. bzw. 311 a Abs. 2 BGB) und Minderung (Art. 50 CISG; §§ 437 Nr. 2, 441 BGB) konzipiert. Sowohl im CISG (vgl. Art. 48 CISG, Art. 50 S. 2 CISG) als auch im BGB stehen die Minderung und der kleine Schadensersatz grundsätzlich unter dem Vorbehalt des Vorranges der Nacherfüllung. Lediglich die Geltendmachung des großen Schadensersatzes ist im CISG wegen der ultima-ratio-Funktion der Vertragsaufhebung (siehe oben) gegenüber der Regelung im BGB geringfügig erschwert, da das BGB nach Ablauf einer angemessenen Nacherfüllungsfrist grundsätzlich bei jedem Sachmangel großen Schadensersatz ("statt der Leistung") gewährt und den Schadensersatzanspruch nur bei unerheblicher Pflichtverletzung ausschließt (§ 281 Abs. 1 S. 3 BGB), während das CISG einen Mangel verlangt, der objektiv so schwerwiegend ist, dass er eine Vertragsaufhebung rechtfertigt ("wesentliche Vertragsverletzung"). Alles in allem kann man abschließend festhalten, dass das Leistungsstörungsrecht im CISG und BGB-Kaufrecht einer ähnlichen Regelungstechnik unterworfen sind und vergleichbaren Wertungen ("Vorrang der Vertragserfüllung") folgen und sich lediglich in der Ausgestaltung im Detail voneinander unterscheiden. Die markantesten Unterschiede liegen in der höheren Abstraktion und der geringeren Regelungsdichte des CISG sowie in seiner Konzeption der Vertragsaufhebung als "ultima ratio". |
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