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Unmöglichkeit
Verzug
Kaufmangel
pVV
c.i.c.
Tu quoque!
§ 278 BGB

Schuld und Haftung

Mit der Vertragshaftung betreten wir einen neuen Bereich. Während wir uns bislang mit der Schuld, das ist die ursprüngliche Verpflichtung (beim Kaufvertrag also die Pflicht des Käufers, den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen, und die Pflicht des Verkäufers, das Eigentum an der verkauften Sache zu verschaffen und die Sache dem Käufer zu übergeben), befasst und ihre Begründung und Beendigung analysiert haben, befassen wir uns jetzt mit der Haftung für die Schuld, einem Problemkreis, der immer dann relevant wird, wenn die Abwicklung der Schuld im weitesten Sinne gestört wird. Die Störung kann ganz unterschiedliche Formen annehmen. Die geschuldete Leistung kann ganz ausbleiben. Das mag auf Unmöglichkeit beruhen und ruft sodann das Unmöglichkeitsrecht auf den Plan. Wenn die Leistung dagegen noch möglich ist, bewegen wir uns u.U. im Verzugsrecht. Wenn die Leistung rechtzeitig erbracht wird, aber Mängel aufweist, betreten wir das Mängelrecht, das im Allgemeinen Schuldrecht und vertragstypenspezifisch im Besonderen Schuldrecht geregelt ist (Kaufvertrag: §§ 434 ff., Mietvertrag: §§ 536 ff., Werkvertrag: §§ 633 ff.). Sollten im Zusammenhang mit der Leistung, durch die Leistung oder gar schon im Stadium der Vertragsanbahnung Rechtsgüter des Gläubigers verletzt werden, betreten wir Regelungskomplexe, die als Vertragshaftungen ursprünglich gar nicht im BGB geregelt waren, sondern neben dem BGB entwickelt worden sind und erst mit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz zum 1. Januar 2002 Einzug in das BGB gefunden haben: die Ansprüche aus positiver Vertrags- oder Forderungsverletzung (pVV, § 241 Abs. 2 BGB) und aus culpa in contrahendo (Verschulden bei Vertragsschluss, c.i.c., § 311 Abs. 2 BGB). Das sind nur die Namen der Rechtsbereiche und Rechtsinstitute. Ihre Rechtsfolgen und Voraussetzungen werden wir im einzelnen analysieren und diskutieren.

Man kann die Rechtsinstitute auch nach den Interessen differenzieren, zu deren Schutz sie entwickelt sind. Wir unterscheiden das Erfüllungsinteresse (auch positives Interesse genannt), das Vertrauensinteresse (auch negatives Interesse genannt), das Äquivalenzinteresse (man könnte es auch Wertinteresse nennen) und das Integritätsinteresse.

Beim Erfüllungsinteresse geht das Interesse des Gläubigers dahin, so gestellt zu werden, wie er stünde, wenn der Schuldner seine Pflicht ordentlich erfüllt hätte. Das Erfüllungsinteresse wird durch Schadensersatzverpflichtungen geschützt, in denen von Schadensersatz statt der Leistung die Rede ist (§§ 280 Abs. 3, 281 bis 283 BGB) oder von Schadensersatz wegen Nichterfüllung die Rede ist (§ 523 Abs. 2 BGB).

Beim Vertrauensinteresse geht das Interesse des Gläubigers dahin, so gestellt zu werden, als habe er von diesem Vertrag nie etwas gehört. Geschützt wird das Vertrauen in die Gültigkeit des Vertrages durch Schadensersatzverpflichtungen. Wir finden solche Verpflichtungen etwa in §§ 122, 179 Abs. 2 BGB. Auch der Schadensersatz aus c.i.c. ist zum Teil auf den Schutz des Vertrauensinteresses gerichtet.

Beim Äquivalenzinteresse richtet sich der Blick auf den Wert einer Leistung bzw. das Wertverhältnis von Leistung und Gegenleistung. Geschützt wird dieses Interesse im Mängelrecht durch das Minderungsrecht (§ 441 BGB) und den Anspruch auf Nacherfüllung (§ 439 BGB). Das Rücktrittsrecht schützt dagegen eher das Vertrauensinteresse, weil der Rücktretende so gestellt werden möchte, als habe er von dem Vertrag nie gehört.

Beim Integritätsinteresse geht es um das Interesse an dem Erhalt der beim Gläubiger vorhandenen Güter, die nichts mit der eigentlichen Vertragsleistung zu tun haben. Für diesen Schutz hatte der Gesetzgeber früher das Deliktsrecht als ausreichend angesehen. Die Rechtsentwicklung ist darüber hinweggegangen und hat namentlich wegen der unterschiedlichen Zurechnungsregeln für das Verschulden von Gehilfen Vertragshaftungen zum Schutz der Integritätsinteressen entwickelt: die positive Forderungsverletzung, die culpa in contrahendo und den Vertrag mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter. Diese Rechtsinstitute haben mit dem 1.1.2002 Einzug in das BGB gefunden (§§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 und 3 BGB).

Schaden, Interesse und Schadensersatz

Bei dem Interessenschutz treffen wir auf sehr verschiedene Arten von Schadensersatzansprüchen. Was Schadensersatz allgemein bedeutet, ist in den §§ 249 bis 253 BGB festgelegt. Wir wollen dieses System zunächst in seinen Grundstrukturen beleuchten und uns dann die Frage stellen, wie sich in dieses System die unterschiedlichen Interessen einordnen lassen.

Das Grundmodell - die Differenzhypothese

Schadensersatz erfolgt durch Restitution von Güterlagen und Kompensation von Vermögensverlusten.

Schaden ist jede nachteilige Veränderung der Güterlage des Betroffenen (Vergleich der realen, jetzt bestehenden Güterlage mit der hypothetischen Güterlage, die bestünde, wenn das zum Ersatz verpflichtende Ereignis nicht eingetreten wäre, § 249 BGB) durch

bulletGüterabfluss oder
bulletVerhinderung von Güterzufluss

oder

bulletLastenmehrung oder
bulletVerhinderung von Lastenminderung.

Geschuldet wird Ausgleich durch RESTITUTION (Herstellung der Güterlage)

bulletin Natur (§ 249 Abs. 1 BGB) bzw.
bulletdurch Zahlung der Herstellungskosten (§§ 249 Abs. 2 Satz 1, 250 BGB).

Die Restitution wird abgelöst und/oder ergänzt bei

bulletUnmöglichkeit (§ 251 Abs. 1 BGB)
bulletUngenügen (§ 251 Abs. 1 BGB)
bulletUnzumutbarkeit (§ 251 Abs. 2 BGB).

Dann wird Ausgleich durch KOMPENSATION des Vermögensschadens (§ 253 BGB) in Geld geschuldet für den

bulletVermögensabfluss (§ 251 BGB) und den
bulletverhinderten Vermögenszufluss, entgangenen Gewinn (§ 252 BGB).

Vermögenswert hat ein Gut, wenn es für das Gut einen Marktpreis gibt!

Das Grundmodell verlangt den Vergleich der realen Güterlage mit einer hypothetischen Güterlage. Um sich Klarheit über dieses Konzept zu verschaffen, stellt man die Güterlagen am besten in Form von T-Konten oder Tabellen dar. In dieser Darstellung lässt sich dann auch schön zeigen, wo die unterschiedlichen Interesseformen Berücksichtigung finden.

Wir beschränken uns in einem vereinfachten Modell auf den Güterabfluss und -zufluss und lassen die Belastungen (i.d.R. durch Verpflichtungen) außer Betracht. Für die Belastungen gelten leicht nachzuvollziehende analoge Betrachtungen.

Kein Schaden ist entstanden, wenn der Vergleich der realen mit der hypothetischen Güterlage keine Differenz ergibt, mithin die Abflüsse und die Zuflüsse identisch sind:

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Ein Schaden in Form des Güterabflusses, auch damnum emergens genannt, liegt vor, wenn real ein Abgang zu verzeichnen ist, der hypothetisch, d.h. ohne das zum Schadensersatz verpflichtende Ereignis nicht eingetreten wäre:

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Ein Schaden in Gestalt des verhinderten Vermögenszuflusses, der Gesetzgeber spricht in § 252 BGB vom entgangenen Gewinn, der gemeinrechtlich gebildete Jurist vom lucrum cessans, liegt vor, wenn real ein Zufluss ausbleibt, der ohne das zum Ersatz verpflichtende Ereignis dem Geschädigten zugeflossen wäre:

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Die Interesseformen

Wenn wir uns fragen, wie die unterschiedlichen Interesseformen in dieses Bild passen, so lautet die Antwort: Sie bestimmen den Anknüpfungspunkt für den Aufbau der hypothetischen Güterlage.

Beim positiven Interesse ist der Anknüpfungspunkt die Erfüllung. Der Gläubiger ist so zu stellen, wie wenn der Schuldner seine Schuldverpflichtung ordnungsgemäß erfüllt hätte.

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Beim negativen Interesse ist der Anknüpfungspunkt ein negativer: das Nichteinlassen auf dieses Geschäft. Der Gläubiger ist so zu stellen, als sei er mit diesem Vertrag nie in Berührung gekommen.

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Beim Integritätsinteresse ist der Anknüpfungspunkt ebenfalls ein negativer: das Nichteintreten des Verletzungsereignisses.

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Mit diesen Grundlagen, die beim Haftungs- und Schadensrecht noch einmal aufgegriffen und vertieft werden, sollten wir gerüstet sein, um das Leistungsstörungsrecht in Angriff zu nehmen.

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© Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Rüßmann. 
Bei Fragen und Unklarheiten wenden sich meine Studenten bitte an:
Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Rüßmann.
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